Marie-Luise Dött MdB

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Der Respektrente fehlt Respekt für die Solidargemeinschaft

10.03.2019

Mit einer „Respektrente“ Altersarmut verhindern und Lebensleistung anerkennen – das klingt gut. Doch bei genauem Hinsehen fehlt es dem Vorschlag an „Respekt“ für die große Gruppe der Menschen, die die Leistung finanzieren müssen, während Millionen begünstigt werden, die es finanziell nicht nötig haben.

Die verfassungsrechtlich geschützte Menschenwürde und das Gebot der Nächstenliebe gebieten, Armut zu verhindern. Das gilt auch für das Alter. Reicht das Alterseinkommen nicht, springt die Solidargemeinschaft ein – eigentlich durch die Mindestsicherung. Die Kehrseite der Solidarität ist aber, staatliche Unterstützung nur bei tatsächlichem Bedarf in Anspruch zu nehmen.

Bedürftigkeit definiert sich nicht nach der Höhe der gesetzlichen Rente. Wenn das Haushaltseinkommen hoch ist – durch Einkommen des Partners, Finanzanlagen oder Immobilien – liegt keine Bedürftigkeit vor. Unterstützung ist in diesem Fall nicht solidarisch – oder nur sehr einseitig: Denn sie vernachlässigt die Solidarität mit denen, die die Leistung finanzieren müssen. Vielfach dürften sie weniger in der Tasche haben, als die Nutznießer. Zugleich trifft es die Generation, die in den umlagefinanzierten Sozialversicherungen schon jetzt einen riesigen Berg demografisch bedingter impliziter Verschuldung erbt.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft zeigt statistisch, dass derzeit 7,5 Millionen gesetzliche Rentner die diskutierte Schwelle unterschreiten. Bezieht man weitere Einkommen und den Haushaltskontext ein, sinkt die Zahl unterstützungsbedürftiger gesetzlicher Rentner auf knapp 1,5 Millionen. Die weiteren sechs Millionen Menschen (!) werden mit Milliarden unterstützt, ohne bedürftig zu sein.

Die Rente bemisst sich nach der Lebensleistung, gemessen an den gezahlten Beiträgen. Es lässt sich daher vielleicht rechtfertigen, eine Grundrente zu fordern, so dass diejenigen mit 35 Beitragsjahren mehr haben als diejenigen, die in der „Grundsicherung im Alter“ verbleiben. Aber nur im Fall von Bedürftigkeit, denn der Rest hat sein Auskommen offenbar durch seine Lebensleistung sichern können, auch wenn er sie auf Bereiche außerhalb der gesetzlichen Rente konzentriert hat.

Nichtsdestotrotz sollte uns bewusst sein, dass wir mit jeder Grundrente all diejenigen von höheren Leistungen ausschließen, die es aus den unterschiedlichsten Gründen nicht geschafft haben, ausreichend für das Alter vorzusorgen, und nicht auf 35 Beitragsjahre kommen. Die Grundrente entbindet uns daher nicht von der Pflicht, dafür zu sorgen, dass auch die Grundsicherung im Alter ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.
Eine Grundrente ist nur mit Bedürftigkeitsprüfung tatsächlich solidarisch. Nur dann beschränkt sie den „Respekt“ nicht auf die Teilgruppe der Gesellschaft, die von höheren Leistungen profitiert. Darauf hatten sich Union und SPD im Koalitionsvertrag übrigens auch bereits geeinigt.

 

Marie-Luise Dött MdB – Berlin und Oberhausen