Buch-Cover
„Ich wusste einfach, dass ich das schreiben muss.“
(Papst em. Benedikt XVI über sein dreibändiges Jesusbuch.)
Nach einer Messe in der Kapelle des Kölner Priesterseminars saßen wir als Gäste beim Frühstück. Überraschend betrat der Kölner Kardinal den Raum, holte sich rasch seine Brötchen und setzte sich, unprätentiös und mit sympathisch offener Gesprächsbereitschaft an unseren Tisch. Ein bayrischer Kollege, angetan von dieser unkomplizierten Nähe, ereiferte sich über das dritte Interviewbuch von Benedikt XVI mit Peter Seewald: Ein solches Buch hätte nie erscheinen dürfen, das sei ein Affront, ein emeritierter Papst habe zu schweigen, und überhaupt seien seine Vorwürfe gegenüber der deutschen Kirche ja nicht neu und völlig verfehlt … und so ging es weiter, sehr ehrlich und sehr empört. Der Kardinal hörte höflich und aufmerksam der Debatte zu.
Sobald als möglich besorgte ich mir nun erst recht das Buch und las mit großem Interesse. Und mit jeder Seite wuchs mein Unverständnis: Wie kann man ein so interessantes Interview auf den Index der verbotenen Bücher setzen wollen? Da spricht ein hochintelligenter, gebildeter Professor von Begegnungen mit den großen Theologen des 20. Jahrhunderts. Da erklärt ein kritischer Zeitzeuge, was es unter Hitler bedeutete, gläubiger Katholik zu sein. Und warum der deutsche Katholizismus viel zu spät erkannte, wie meinungsbildend einmal die üblen Verzerrungen von Hochhuths „Stellvertreter“ werden sollten. Da plaudert ein fast Neunzigjähriger voller Humor über die Zeit seiner Jugend, eine Zeit des theologischen Aufbruchs und der Freiheit im Denken. Da reflektiert einer der dabei war – und mit der Genueser Rede von 1961 selbst Weichen gestellt hat – nachdenklich die Auswirkungen des Konzils. Und da bekennt ein eher zurückhaltender Papst, warum er nicht aus dem Amt geflohen sei, sondern mit einer Entscheidung im reinen ist, die er im Gebet vor Gott geprüft und getroffen hat.
Ein großartiges, leicht lesbares, aber in seiner Tiefe nachhaltiges und ergreifendes Buch. Und ja, seine Kritik an der deutschen Kirche ist nicht zum Lachen: „In Deutschland haben wir diesen etablierten und hochbezahlten Katholizismus, vielfach mit angestellten Katholiken, die dann der Kirche in einer Gewerkschaftsmentalität gegenübertreten. Kirche ist für sie nur der Arbeitgeber, gegen den man kritisch steht.“ Aber ich wüsste nicht, warum eine solche Beobachtung ausgeklammert werden sollte und dürfte. Gerade weil ich für diese Kirche arbeite, gern arbeite, halte ich sie für bedenkenswert.
Wer all das nicht sieht, was dieses Buch so wertvoll macht, der will es nicht sehen. Und wer dem interviewenden Journalisten in einer großen deutschen Tageszeitung vorwirft, „theologisch wenig gebildet“ zu sein, von solchen Theologen wünschte man sich auch nur einen Hauch von Benedikts Höflichkeit im Umgang mit andersdenkenden Kollegen.
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