Date:12. Nov 2014

Kinderkrippen

Meditation

Hände - Foto: Tobias Sellmayer - pixelio.de

Foto: Tobias Sellmayer – pixelio.de

Kinderkrippen: mangelhaft

Stellen Sei sich das einmal vor: Ein bekannter Autohersteller bewirbt über Monate ein neues Fahrzeugmodell. Die aggressive Werbung verführt viele dazu, ein Auto vorzubestellen. Dann ist es soweit; die ersten Exemplare werden an die Kunden geliefert. Doch schon wenige Monate später zeigt sich ein gefährlicher Mangel: die Bremsen funktionieren unter bestimmten Bedingungen nicht richtig. Der Hersteller spielt das Problem herunter, es handle sich um bedauernswerte Einzelfälle. Doch Journalisten recherchieren und finden heraus, dass tausende Kunden betroffen sind. Die Vertragswerkstätten sind völlig überfordert, es fehlt allerorten an qualifizierte Fachkräften, die den Schaden reparieren könnten. Der Automobilhersteller müsste Milliardenbeträge investieren, um Schadensbegrenzung zu betreiben, so das Urteil von Fachleuten.

Zur vorläufigen Beruhigung. Das war nur ein Gedankenexperiment. In Wirklichkeit  geht es nicht um Autos und Kunden, sondern um Krippen und Kinder. Das sollte uns wieder beunruhigen. Denn zwei Studien zur Qualität von Kinderkrippen kommen zu Ergebnissen, die zu einem sofortigen Handeln zwingen.

Die Studie „Kleine Kinder – großer Anspruch 2010“ weist nach, dass ausgerechnet im Bereich „Betreuung und Pflege“ in über 90 Prozent (!) der untersuchten 81 Münchener Einrichtungen die pädagogische Qualität mangelhaft ist. Tagesroutinen, wie das Begrüßen und Verabschieden, Essen und Trinken, Wickeln und Ruhezeiten wurden von den untersuchten Erzieherinnen nur schlecht gemanagt. Negative Auswirkungen zeigten sich bei den Kleinkindern v.a. dann, wenn diese sehr viel Zeit in der Einrichtung verbrachten und die Gruppen sehr groß waren.
Die 2013 veröffentlichte deutschlandweite NUBBEK-Studie gibt nicht weniger Anlass zur Sorge. Egal ob Krippe, altersgemischte Einrichtung oder Tagespflegestelle: die außerhäusliche Betreuung in den ersten drei Lebensjahren ist nur mittelmäßig. Nicht einmal 6 Prozent der Einrichtungen weisen eine „gute bis sehr gute“ Qualität auf. Dagegen ist jede zehnte Einrichtung von „unzureichender Qualität“.
Psychologinnen vom „Staatsinstitut für Frühpädagogik“ (IFP) beklagen Personalengpässe, überforderte Leiterinnen und ungünstige Interaktionen zwischen Fachkräften und Kleinkindern, die dem Kindeswohl abträglich seien. Die „Deutsche Liga für das Kind“ wird deutlicher: „Krippen und Kindertagespflegestellen, die anerkannten Mindestanforderungen an Qualität nicht genügen, können für die dort betreuten Kinder ein erhebliches Entwicklungsrisiko darstellen.“

Um die Qualität nicht nur an der Oberfläche, sondern nachhaltig zu verbessern, würden rund 120.000 weitere Vollzeitkräfte in den Einrichtungen benötigt. Bund und Länder müssten dazu mehr als 19 Milliarden Euro in die Hände nehmen, so die „Bertelsmann Stiftung“. Die Politiker sollten nicht lange überlegen und endlich handeln. Sie haben schließlich über Jahre den Aufbau von Kinderkrippen gepuscht und dabei nur auf Quantität gesetzt. Es geht schließlich um nichts weniger als unsere Kinder – unsere Zukunft.

Klaus Glas

Literaturempfehlung:
Becker-Stoll, Fabienne, Niesel, Renate & Wertfein, Monika (2014). Handbuch Kinderkrippe. So gelingt Qualität in der Tagesbetreuung. Freiburg: Herder

Musical-Hinweis Rigma-Verlag