Foto: Nicole Elß
An einem freien Vormittag schlenderte ich in meiner Heimatstadt Erfurt in Thüringen über den Domplatz. Eigentlich ein Umweg, denn ich wollte zur Bibliothek. Aber fast immer überwältigt mich der Anblick des Domberges mit seinen beiden Kirchen. Links majestätisch der Mariendom, dessen Ursprung auf Bonifatius zurückgeht, und rechts die Severikirche. Wie die kleine Schwester steht das ehemalige Benediktiner(innen)kloster aus dem neunten Jahrhundert auf dem Domberg, hoch über der schönen Altstadt. Kein Wunder, dass diese beiden gotischen Bauwerke das Wahrzeichen unsere Stadt Erfurt bilden. Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Blick schon auf Fotos festgehalten habe.
Auch an jenen Vormittag blieb ich staunend stehen wie eine Touristin und wollte den Domblick in der Morgensonne mit dem Handy fotografieren. Einen kurzen Moment wartete ich, bis ein ältere Mann aus dem Bild gelaufen war. Da sprach dieser Mann mich unerwartet an. Wir redeten über Gott und die Welt und die Zeit, die wir immer alle nicht haben. Er hatte sie. Und ich nahm mir sie an diesem Vormittag mitten auf dem Domplatz.
So erfuhr ich, dass der Mann Johannes heißt und schon über 80 Jahre alt ist. Seine Frau und er stammen aus den Niederlanden und sind im Ruhestand in ein betreutes Wohnen nach Erfurt gezogen. Seine Frau war nur wenige Tage vor unserm Treffen verstorben.
Wir beschlossen, zusammen auf den Domberg zu gehen und dort Kerzen für sie anzuzünden. Die erste Kerze entzündeten wir im Dom an der Pieta, die aus dem Jahre 1350 stammt, an. Maria weint um ihren toten Sohn, der in ihrem Schoß liegt. Wir standen schweigend beieinander und dachten an Johannes verstorbene Frau Magdalena.
Eine unbeschreibliche Verbundenheit mischte sich in unser Schweigen. Im Anschluss besuchten wir auch die Severikirche nebenan. Sie ist kleiner als der Dom und nicht so überlaufen von den Touristen. Aber sie birgt einen Schatz: die kleine Anbetungskapelle. Ich mag diesen Raum mit seinen sonnengelben Fenstern, die der Künstler Wolfgang Nickel so wunderbar gestaltet hat. Ein Ort, der die Seele mit Ruhe durchflutet, wo man eintauchen kann, den eigenen Seelenfrieden findet und Gottes Nähe spürt. Wir setzten uns leise in eine Bank und ließen diesen Frieden in uns einströmen. Am Ende las ich dem älteren Herrn das Tagesevangelium aus Markus 2,18 vor. Eine Begegnung der Jünger des Johannes mit Jesus.
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