Jesaja – Berufung und Sendung

„Hier bin ich, sende mich!“ sind die berühmt gewordenen Worte des Jesaja ben Amoz aus dem 8. Jahrhundert vor Christus. Es sind auch die Worte, die ein Weihekandidat für das Priesteramt noch heute in der Liturgie spricht, nachdem sein Name aufgerufen wurde. Der Prophet Jesaja wird gesendet, um Gottes Volk zu retten. Seine Bedenken, er könne für Gottes Aufgabe nicht rein genug sein, wird durch die Berührung des Engels ausgelöscht. Der Fischer Petrus fühlt sich nicht würdig genug, um seine Aufgabe an der Seite des Herrn zu erfüllen. Auch seine Angst wird überwunden, Jesus gibt ihm vielmehr einen noch größeren Auftrag, nämlich Menschen für ihn und seine Botschaft zu gewinnen Paulus schließlich wird durch die Begegnung mit dem Auferstandenen vom Christenverfolger zum leidenschaftlichen Missionar. Drei Berufungsgeschichten, dreimal Sendung durch Gott, dreimal die Bereitschaft, dem Ruf Gottes zu folgen und selbst zum Rufenden zu werden.


„Hier bin ich, sende mich!“           

(Jesaja 6,8)

Bild: Verkündigung an Isaias
Isaias-Kommentar  Reichenau, um 1000
Bamberg, Staatliche Biliothek

zum Bild >> Jesaja – dort Seite 151!

 


Alttestamentliche Lesung:*

Jesaja 6, 1-8
Im Todesjahr des Königs Usija sah ich den Herrn. Er saß auf einem hohen und erhabenen Thron. Der Saum seines Gewandes füllte den Tempel aus. Serafim standen über ihm. Jeder hatte sechs Flügel: Mit zwei Flügeln bedeckten sie ihr Gesicht, mit zwei bedeckten sie ihre Füße und mit zwei flogen sie. Sie riefen einander zu: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt. Die Türschwellen bebten bei ihrem lauten Ruf und der Tempel füllte sich mit Rauch. Da sagte ich: Weh mir, ich bin verloren. Denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen und lebe mitten in einem Volk mit unreinen Lippen und meine Augen haben den König, den Herrn der Heere, gesehen. Da flog einer der Serafim zu mir; er trug in seiner Hand eine glühende Kohle, die er mit einer Zange vom Altar genommen hatte. Er berührte damit meinen Mund und sagte: Das hier hat deine Lippen berührt: Deine Schuld ist getilgt, deine Sünde gesühnt. Danach hörte ich die Stimme des Herrn, der sagte: Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen? Ich antwortete: Hier bin ich, sende mich!

 

Kehrvers:

Du sendest dein Wort, um uns zu retten. (Psalm 107,20)

Psalm  107, 2.8-12.19-22

So sollen alle sprechen, die vom Herrn erlöst sind,
die er von den Feinden befreit hat.
sie alle sollen dem Herrn danken für seine Huld,
für sein wunderbares Tun an den Menschen,
weil er die lechzende Seele gesättigt,
die hungernde Seele mit seinen Gaben erfüllt hat.
Sie, die saßen in Dunkel und Finsternis,
gefangen in Elend und Eisen,
die den Worten Gottes getrotzt
und verachtet hatten den Ratschluss des Höchsten,
deren Herz er durch Mühsal beugte,
die stürzten und denen niemand beistand,
die dann in ihrer Bedrängnis schrien zum Herrn,
die er ihren Ängsten entriss,
denen er sein Wort sandte, die er heilte
und vom Verderben befreite:
sie alle sollen dem Herrn danken für seine Huld,
für sein wunderbares Tun an den Menschen.
Sie sollen ihm Dankopfer weihen,
mit Jubel seine Taten verkünden:

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Neutestamentliche Lesung:

Apostelgeschichte 22, 3-10.21

Ich bin ein Jude, geboren in Tarsus in Zilizien, hier in dieser Stadt erzogen, zu Füßen Gamaliëls genau nach dem Gesetz der Väter ausgebildet, ein Eiferer für Gott, wie ihr alle es heute seid. Ich habe den (neuen) Weg bis auf den Tod verfolgt, habe Männer und Frauen gefesselt und in die Gefängnisse eingeliefert. Das bezeugen mir der Hohepriester und der ganze Rat der Ältesten. Von ihnen erhielt ich auch Briefe an die Brüder und zog nach Damaskus, um dort ebenfalls die Anhänger (der neuen Lehre) zu fesseln und zur Bestrafung nach Jerusalem zu bringen. Als ich nun unterwegs war und mich Damaskus näherte, da geschah es, dass mich um die Mittagszeit plötzlich vom Himmel her ein helles Licht umstrahlte. Ich stürzte zu Boden und hörte eine Stimme zu mir sagen: Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Ich antwortete: Wer bist du, Herr? Er sagte zu mir: Ich bin Jesus, der Nazoräer, den du verfolgst. Meine Begleiter sahen zwar das Licht, die Stimme dessen aber, der zu mir sprach, hörten sie nicht. Ich sagte: Herr, was soll ich tun? Der Herr antwortete: Steh auf, und geh nach Damaskus, dort wird dir alles gesagt werden, was du nach Gottes Willen tun sollst. Aber er sagte zu mir: Brich auf, denn ich will dich in die Ferne zu den Heiden senden.

Ruf vor dem Evangelium

(Jesaja 6,8)

„Steh auf und iss, sonst ist der Weg zu weit für dich.“

Evangelium: Lukas 5, 1-11

Als Jesus am Ufer des Sees Gennesaret stand, drängte sich das Volk um ihn und wollte das Wort Gottes hören. Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Jesus stieg in das Boot, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus. Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: Fahr hinaus auf den See! Dort werft eure Netze zum Fang aus! Simon antwortete ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen. Das taten sie, und sie fingen eine so große Menge Fische, dass ihre Netze zu reißen drohten. Deshalb winkten sie ihren Gefährten im anderen Boot, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen und gemeinsam füllten sie beide Boote bis zum Rand, sodass sie fast untergingen. Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder. Denn er und alle seine Begleiter waren erstaunt und erschrocken, weil sie so viele Fische gefangen hatten; ebenso ging es Jakobus und Johannes, den Söhnen des Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten. Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen. Und sie zogen die Boote an Land, ließen alles zurück und folgten ihm nach.


Lied: Gleich wie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch.

V/ A KV: Gleich wie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch.

1. Er hat mich gesandt, zu predigen den Gefangenen, dass sie los sein sollen,
und ich sende euch, zu predigen den Gefangenen, dass sie los sein sollen. KV

2. Er hat mich gesandt, zu predigen den Zerschlagenen, dass sie frei sein sollen,
und ich sende euch, zu predigen den Zerschlagenen, dass sie frei sein sollen. KV

Gotteslob Nr. 880, 1-2
T: Joh 20, 21/Lk 4,18 Melodie: Ernst Ruppel 1963

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Literaturhinweis:

Ulrich Berges, Jesaja. Der Prophet und das Buch: Biblische Gestalten Bd. 22 , 2. korrigierte Auflage 2014.
Jesaja: Bibel und Kirche 4 (2006).

 

 

 

Geistlicher Text: Dag Hammarskjöld, Zeichen am Weg

Von 1953 an war der schwedische Politiker Dag Hammarskjöld Generalsekretär der Vereinten Nationen, bis zu seinem Tod am 17.9.1961. Unter ungeklärten Umständen stürzte die Sondermaschine der Vereinten Nationen an der kongolesischen Grenze ab, seine Leibwächter fand man von Kugeln durchlöchert, das Wrack geplündert und ausgebrannt. Erst durch sein posthum veröffentlichtes geistliches Tagebuch wurde bekannt, wie intensiv der verhandlungsstarke Politiker und Friedensstifter sich mit mittelalterlicher Mystik und dem Opfer des eigenen Lebens beschäftigt hatte.
An Pfingsten 1961 notiert er:
„Ich weiß nicht, wer – oder was – die Frage stellte. Ich weiß nicht, wann sie gestellt wurde. Ich weiß nicht, ob ich antwortete. Aber einmal antwortete ich ja zu jemandem – oder zu etwas. Von dieser Stunde her rührt die Gewißheit, daß das Dassein sinnvoll ist und daß darum mein Leben, in Unterwerfung, ein Ziel hat. Seit dieser Stunde habe ich gewußt, was das heißt, >nicht hinter sich zu schauen<, >nicht für den anderen Tag zu sorgen<. … Auf dem weiteren Weg lernte ich, Schritt um Schritt, Wort für Wort, daß hinter jedem Satz des Helden der Evangelien ein Mensch und die Erfahrung eines Mannes stehen. Auch hinter dem Gebet, es möge der Kelch von ihm genommen werden, und das Gelöbnis, ihn zu leeren. Auch hinter jedem Wort am Kreuz.“

In Israel traf Hammarskjöld den jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber und begann die Übersetzung von „Ich und Du“ ins Schwedische. Berufung ist für ihn Hören auf Gottes Ruf „>Horchen< – im Glauben, seinen Weg finden und das Gefühl haben, in Wirklichkeit ihn unter Gott wiederzufinden.“ Und ganz im Sinne der alttestamentlichen Prophetenberufung, versteht Hammarskjöld diese Berufung als eine von Gott ausgehende Beauftragung: „Der Einsatz sucht uns, nicht wir den Einsatz. Darum bist du ihm treu, wenn du wartest, bereit. Und handelst, wenn du vor der Forderung stehst.“
„Du wagst dein Ja – und erlebst einen Sinn. Du wiederholst dein Ja – und alles bekommt Sinn. Wenn alles Sinn hat, wie kannst du anderes leben als ein Ja.“

In seinem Zimmer in der Hauptstadt Kinshasa, damals Leopoldville, fand man seine letzte Lektüre, die „Nachfolge Christi“ von Thomas von Kempen. Und Hammarskjölds eigene Zeilen lesen sich wie eine Übertragung des mittelalterlichen Werkes ins Heute, wunderbar leicht und schlicht, doch ebenso tief:

„Anderer Weg
hat Rastplätze
in der Sonne
sich zu begegnen.
Aber dieser Weg
ist der deine,
und es gilt jetzt,
jetzt darfst du nicht versagen.
Weine,
wenn du kannst,
weine,
doch klage nicht.
Dich wählte der Weg –
und du sollst danken.“
Zitate aus: Dag Hammarskjöld, Zeichen am Weg, Zürich 1965.



 

Zusammenstellung: Hans-Jakob Becker / Anne-Madeleine Plum Dieser Gottesdienst:  18 Pen C in Patmos Vgl. dazu ausführlich: Hansjakob Becker, „Dies große Wort, geschrieben weiß auf schwarz“. Patmos: Begegnungen mit der Bibel im Kontext von Kultur – Liturgie  – Spiritualität, in: Pietas Liturgica 16, Tübingen 2015.

* Texte aus der Heiligen Schrift sind entnommen aus der Einheitsübersetzung © 1980, Katholische Bibelanstalt GmbH.

Liste der Wort-Gottes-Feiern „Patmos“

Informationen zur Gottesdienst-Reihe „Patmos“