Das Gespräch am Jakobsbrunnen

Am Fuß des Berges Garizim, außerhalb der Altstadt von Nablus, das heute in der palästinensischen Autonomieregion liegt, steht die griechisch-orthodoxe Kirche St. Photini/Photina. In deren Krypta kann man den „Jakobsbrunnen“ besichtigen und, nachdem ein Mönch mit einer Handkurbel das Wasser in einem Blecheimer nach oben befördert hat, sich mit ihrem Wasser besprengen lassen kann. Das Johannesevangelium erzählt von der Begegnung an diesem berühmten Brunnen: Jesus ist erschöpft, setzt sich am Mittag an jenem Brunnen nieder und bittet eine samaritische Frau, ihm Wasser zu geben. Der heilige Augustinus denkt über Jesu Kraft und Jesu Schwachheit nach: „Die Kraft Christi hat dich erschaffen – seine Schwachheit dich neu geschaffen. Christi Kraft rief ins Dasein, was noch nicht war – Christi Schwachheit rettete das Geschöpf vor dem Untergang. Er hat uns, Geschöpfe seiner Kraft, heimgesucht in seiner Schwäche“.
Von der Bedeutung dieser Quelle lebendigen Wassers singt sowohl Johannes vom Kreuz in seinem mystischen Gesang aus dem Karmel, als auch das Lied einer Franziskanerin unserer Zeit. Das Bild vom Forum Weltkirche macht deutlich, dass der Brunnen Sinnbild für das Gespräch mit Jesus ist.


Quelle lebendigen Wassers

 


Bild: Gespräch am Jakobsbrunnen,
Wandmalerei, 1840
Kloster Čerepiš, Bulgarien

zum Bild: >> Die Frau am Jakobsbrunnen


Alttestamentliche Lesung: Numeri 20, 2-13

Da die Gemeinde kein Wasser hatte, rotteten sie sich gegen Mose und Aaron zusammen. Das Volk geriet mit Mose in Streit; sie sagten: Wären wir doch umgekommen wie unsere Brüder, die vor den Augen des Herrn gestorben sind. Warum habt ihr das Volk des Herrn in diese Wüste geführt? Nur damit wir hier zusammen mit unserem Vieh sterben? Wozu habt ihr uns aus Ägypten hierher geführt? Nur um uns an diesen elenden Ort zu bringen, eine Gegend ohne Korn und Feigen, ohne Wein und Granatäpfel? Nicht einmal Trinkwasser gibt es. Mose und Aaron verließen die Versammlung, gingen zum Eingang des Offenbarungszeltes und warfen sich auf ihr Gesicht nieder. Da erschien ihnen die Herrlichkeit des Herrn. Der Herr sprach zu Mose: Nimm deinen Stab; dann versammelt die Gemeinde, du und dein Bruder Aaron, und sagt vor ihren Augen zu dem Felsen, er solle sein Wasser fließen lassen. Auf diese Weise wirst du für sie Wasser aus dem Felsen fließen lassen und ihnen und ihrem Vieh zu trinken geben. Mose holte den Stab von seinem Platz vor dem Herrn, wie der Herr ihm befohlen hatte.
Mose und Aaron riefen die Versammlung vor dem Felsen zusammen und Mose sagte zu ihnen: Hört, ihr Meuterer, können wir euch wohl aus diesem Felsen Wasser fließen lassen? Dann hob er seine Hand hoch und schlug mit seinem Stab zweimal auf den Felsen. Da kam Wasser heraus, viel Wasser, und die Gemeinde und ihr Vieh konnten trinken. Der Herr aber sprach zu Mose und Aaron: Weil ihr mir nicht geglaubt habt und mich vor den Augen der Israeliten nicht als den Heiligen bezeugen wolltet, darum werdet ihr dieses Volk nicht in das Land hineinführen, das ich ihm geben will. Das ist das Wasser von Meriba (Streitwasser), weil die Israeliten mit dem Herrn gestritten haben und er sich als der Heilige erwiesen hat.

Kehrvers:

Fels in der Wüste. Quelle lebendigen Wassers. (Psalm78,15.35)

Psalm 78

Mein Volk, vernimm meine Weisung!
Wendet euer Ohr zu den Worten meines Mundes!
Ich öffne meinen Mund zu einem Spruch;
ich will die Geheimnisse der Vorzeit verkünden.
Was wir hörten und erfuhren,
Mein Volk, vernimm meine Weisung!
Wendet euer Ohr zu den Worten meines Mundes!
Ich öffne meinen Mund zu einem Spruch;
ich will die Geheimnisse der Vorzeit verkünden.
Was wir hörten und erfuhren,
Mein Volk, vernimm meine Weisung!
Wendet euer Ohr zu den Worten meines Mundes!
Ich öffne meinen Mund zu einem Spruch;
ich will die Geheimnisse der Vorzeit verkünden.
Was wir hörten und erfuhren,
was uns die Väter erzählten,
das wollen wir unseren Kindern nicht verbergen,
sondern dem kommenden Geschlecht erzählen:
die ruhmreichen Taten und die Stärke des Herrn,
die Wunder, die er getan hat.
Vor den Augen ihrer Väter vollbrachte er Wunder
im Land Ägypten, im Gefilde von Zoan.
Er spaltete das Meer und führte sie hindurch,
er ließ das Wasser fest stehen wie einen Damm.
Er leitete sie bei Tag mit der Wolke
und die ganze Nacht mit leuchtendem Feuer.
Er spaltete Felsen in der Wüste
und gab dem Volk reichlich zu trinken wie mit Wassern der Urflut.
Er ließ Bäche aus dem Gestein entspringen,
ließ Wasser fließen gleich Strömen.
Doch sie sündigten weiter gegen ihn,
sie trotzten in der Wüste dem Höchsten.
In ihrem Herzen versuchten sie Gott,
forderten Nahrung für den Hunger.
Sie redeten gegen Gott; sie fragten:
«Kann uns denn Gott den Tisch decken in der Wüste?
Zwar hat er an den Felsen geschlagen,
sodass Wasser floss und Bäche strömten.
Kann er uns auch Brot verschaffen
und sein Volk mit Fleisch versorgen?»
Das hörte der Herr und war voll Grimm;
Feuer flammte auf gegen Jakob,
Zorn erhob sich gegen Israel,
weil sie Gott nicht glaubten
und nicht auf seine Hilfe vertrauten.
Ihr Herz hielt nicht fest zu ihm,
sie hielten seinem Bund nicht die Treue.
Er aber vergab ihnen voll Erbarmen die Schuld
und tilgte sein Volk nicht aus.

 


Neutestamentliche Lesung:

1. Korintherbrief 10, 1-4

Ihr sollt wissen, Brüder, dass unsere Väter alle unter der Wolke waren, alle durch das Meer zogen und alle auf Mose getauft wurden in der Wolke und im Meer. Alle aßen auch die gleiche gottgeschenkte Speise und alle tranken den gleichen gottgeschenkten Trank; denn sie tranken aus dem Leben spendenden Felsen, der mit ihnen zog. Und dieser Fels war Christus.

 

 

 

 

Ruf vor dem Evangelium

(Joh 7,37.38; Offb 22,17)

Wer dürstet, der komme zu mir, und es trinke, wer an mich glaubt, das Wasser des Lebens umsonst.

Evangelium: Johannes 4,5-14

So kam Jesus zu einem Ort in Samarien, der Sychar hieß und nahe bei dem Grundstück lag, das Jakob seinem Sohn Josef vermacht hatte. Dort befand sich der Jakobsbrunnen. Jesus war müde von der Reise und setzte sich daher an den Brunnen; es war um die sechste Stunde. Da kam eine samaritische Frau, um Wasser zu schöpfen. Jesus sagte zu ihr: Gib mir zu trinken! Seine Jünger waren nämlich in den Ort gegangen, um etwas zum Essen zu kaufen. Die samaritische Frau sagte zu ihm: Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser bitten? Die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern. Jesus antwortete ihr: Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben. Sie sagte zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäß, und der Brunnen ist tief; woher hast du also das lebendige Wasser? Bist du etwa größer als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben und selbst daraus getrunken hat, wie seine Söhne und seine Herden? Jesus antwortete ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.


Lied: Alle meine Quellen entspringen in dir – Sr. M. Leonore Heinzel OSF

Ref.: Alle meine Quellen entspringen in dir,
in dir, mein guter Gott.
Du bist das Wasser, das mich tränkt,
und meine Sehnsucht stillt.

– Du bist die Kraft, die Leben schenkt,
eine Quelle, welche nie versiegt.
Ströme von lebendigem Wasser
brechen hervor.
Refrain

– Du bist der Geist, der in uns lebt,
der uns reinigt, der uns heilt und hilft.
Ströme von …
Refrain

– Du bist das Wort, das mit uns geht,
das uns trägt und uns die Richtung weist.
Ströme von …
Refrain

– Du bist der Glaube, der uns prägt,
der uns stark macht, offen und bereit.
Ströme von ….
Refrain

– Du bist die Liebe, die befreit,
die vergibt, wenn uns das Herz anklagt.
Ströme von …
Refrain

– Du bist das Licht in Dunkelheit,
du erleuchtest unsern Lebensweg.
Ströme von …
Refrain

– Du bist das Lamm, das sich erbarmt,
das uns rettet, uns erlöst und liebt.
Ströme von…
Refrain

(Mit freundlicher Genehmigung von Sr. Leonore Heinzel, Text und Melodie in: beherzt. Gotteskindermenschenlieder, Herausgeber Arbeitskreis Kontrapunkt NGL in der Diözese Mainz, Bischöfliches Jugendamt Mainz, rigma Verlag, 2003. Bestellung bei: info@rigma.de )

 

 

 

Literaturhinweis:

– Augustinus, Tractatus in Ioann 15, 6 ( PL 35, 1512); BKV 8, 254 f.
– Women in the Mission of the Church: An Interpretation of John 4«, Vidyajyoti: Journal of Theological Reflection 65 (2001), 760–773
– Kurzfassung: http://www.forum-weltkirche.de/de/artikel/11593.die-samariterin-am-jakobsbrunnen.html

 

Geistlicher Text: Johannes vom Kreuz – Die Quelle. Lied der Seele, die sich der Gotteserkenntnis im Glauben erfreut. (1578)

Zehn Jahre nach seiner Priesterweihe im Jahr 1567 wird der Ordensmann Johannes vom Kreuz, der sich durch die Begegnung mit Teresa von Avila für die Reform des männlichen Zweigs der Karmeliter einsetzt, von seinen eigenen Ordensoberen neun Monate lang in strenger Kerkerhaft gehalten. In dieser Zeit der Dunkelheit im Kloster von Toledo entstehen einige seiner schönsten Gedichte, darunter auch das Lied von der Quelle. Papst Johannes Paul II ernannt Juan de la Cruz zum Schutzpatron aller spanischsprachigen Dichter und der christlichen Mystiker.

Wie gut weiß ich die Quelle, die entspringt und fortfließt,
auch wenn es Nacht ist.

Die Ewigkeitenquelle hier, verborgen –
sie quillt hervor, das weiß ich sicher,
auch wenn es Nacht ist.

In solcher dunklen Nacht in diesem Leben,
weiß ich im Glauben wohl die kühle Quelle,
auch wenn es Nacht ist.

Den Ursprung weiß ich nicht, denn sie hat keinen.
Doch weiß ist: allem Ursprung gibt sie Herkunft,
auch wenn es Nacht ist.

Ich weiß, kein Ding kann solche Schönheit haben,
und weiß, daß Erd‘ und Himmel aus ihr trinken,
auch wenn es Nacht ist.

Ich weiß, kein Grund ist, der in ihr sich findet,
und keine Furt, daß keiner sie durchschreitet,
auch wenn es Nacht ist.

Ich weiß, ihr Glanz wird nie verfinstert werden,
und alles Licht, von ihr ist es gekommen,
auch wenn es Nacht ist.

Ich weiß, gewaltig strömen ihre Fluten,
daß sie bewässern Hölle, Himmel, Völker,
auch wenn es Nacht ist.

Geboren wird ein Strom aus dieser Quelle:
Ich weiß, er ist voll Kraft, ja, ist allmächtig,
auch wenn es Nacht ist.

Der Strom, den diese zwei hervorgehn lassen:
Ich weiß, daß beider keiner ihm vorangeht,
auch wenn es Nacht ist.

Die drei, ich weiß, in einem Lebenswasser
wohnen, es stammt der eine aus dem andern,
auch wenn es Nacht ist.

Die Ewigkeitenquelle hier, verborgen,
in diesem Lebensbrot gibt sie uns Leben,
auch wenn es Nacht ist.

Hierher ruft man herbei die Kreaturen,
sie trinken von dem Wasser, auch im Dunkeln,
da es ja Nacht ist.

Die selbe Lebensquelle, meine Sehnsucht,
erblicke ich in diesem Brot des Lebens,
auch wenn es Nacht ist.

 

– Mariano Delgado und Günter Stachel, Die Quelle, auch wenn es Nacht ist, in: Werner Simon (Hrsg.), Meditatio. Beiträge zur Theologie und Religionspädagogik der Spiritualität, Münster, 2002.

 


Zusammenstellung: Hansjakob Becker / Anne-Madeleine Plum Dieser Gottesdienst:  3 Qua D in Patmos Vgl. dazu ausführlich: Hansjakob Becker, „Dies große Wort, geschrieben weiß auf schwarz“. Patmos: Begegnungen mit der Bibel im Kontext von Kultur – Liturgie  – Spiritualität, in: Pietas Liturgica 16, Tübingen 2015.

* Texte aus der Heiligen Schrift sind entnommen aus der Einheitsübersetzung © 1980, Katholische Bibelanstalt GmbH.

Liste der Wort-Gottes-Feiern “Patmos”

Informationen zur Gottesdienst-Reihe “Patmos”