Foto: Steffen Knapp
Unser Jahr steht nach dem Willen von Papst Franziskus unter dem Leitwort “Barmherzigkeit”. Die Anregung fiel auf besonders guten Boden. Nicht nur in der katholischen Kirche.
Der Name Gottes ist Barmherzigkeit. Nichts Neues, und doch neu. Eine der Altlasten des Christentums ist seine Geschichte, in der Gott zu einseitig als der Gerechte, der Strafende, der Drohende und Zornige dargestellt wurde. Davon sind wir zwar mehr und mehr weggekommen. Gott sei Dank. Und doch will in vielen Fällen “das Alte unsere Seelen quälen”. So ganz fertig sind die Menschen oft doch nicht mit den Versuchungen, Gott als den Strafenden und Drohenden zu sehen. Zu viel Ungereimtes und zu viele himmelschreienden Sünden gibt es unter den Menschen und durch sie. Dazu das Unheil, das die Natur hervorbringt. Da ist es tröstlich und befreiend zu wissen, dass Gott über all dieses hinwegsieht. Alle Sünden einfach vergisst, wie Papst Franziskus sagt. Jedenfalls nicht straft.
Und doch stellt sich natürlich die Frage: Darf er das? Verletzt er nicht seine Aufsichtspflicht über die von ihm geschaffene und letztlich verantwortete Schöpfung? Ist die Barmherzigkeit nicht die Bevorzugung des Täters und die Vertröstung, wenn nicht Verhöhnung, der Opfer? Oder sollen die sich auch noch schuldig fühlen, wenn andere an ihnen schuldig geworden sind?
Und was ist es mit uns Durchschnittsmenschen, die wir jetzt nicht zu den großen Sündern gehören, obwohl dies in früheren Jahrhunderten den Menschen ja oft eingeredet wurde? Ich will und kann so leben, dass ich die Barmherzigkeit nicht beanspruchen muss. Sondern damit rechnen darf, dass mein normales Leben mit all seinen Höhen und Tiefen, anerkannt wird, ich soweit also “gerechtfertigt” bin. Und dass nicht jede noch so kleine Sünde etwas Schlimmes ist, das mich nur noch auf die Barmherzigkeit hoffen lässt. Eine Barmherzigkeit, die mir sagt: Du bist erbärmlich, erbarmungswürdig.
Ich vergleiche die Sache mit der Trapezkünstlerin im Zirkus, die oben in den Lüften ihre waghalsigen Kunststücke vorführt und sich freut, wenn dies alles gelingt. Doch sie ist gesichert. Ein Netz fängt sie auf, wenn sie einen falschen Schritt oder Griff tut und herabstürzt. Es kann ihr also letztlich nichts passieren. Doch ist wäre schlimm für sie, wenn sie auf die Barmherzigkeit des Netzes angewiesen wäre, sie also herunterfiele. Sie will die Sache ja gut hinbringen und hat nach vieler, vieler Übung es auch immer wieder geschafft, dass es gelingt.
Hat also das mit der Barmherzigkeit nicht doch etwas nicht ganz Stimmiges, Herabsetzendes für den Menschen? Sicher ist es demütigend, sie in Anspruch nehmen zu müssen. Aber auch befreiend. Es ist befreiend, wenn mir nicht alles gelingen muss, ich nicht perfekt sein muss, nicht groß sein muss, es aber darf und immer auch wieder (innerhalb meiner Grenzen) gut dastehen kann und darf. Ich also nicht das Lebensgefühl zu haben brauche, es ist halt doch nichts mit mir. Und gleichzeitig aber auch denken darf: Ich darf es auf sich beruhen lassen.
Schließlich regt das Thema Barmherzigkeit uns an, auch selbst barmherzig zu sein. Da mögen wir an die sieben leiblichen und sieben geistlichen Werke der Barmherzigkeit denken. Ein ganz nützlicher Katalog von Anregungen.
Hier gilt das Gleiche wie im Verhältnis zu Gott: Nicht herabwürdigen, dem andern auf Augenhöhe begegnen und doch immer auch wieder Situationen erleben, in denen ich mich erbarme, ohne dabei stolz zu werden. Vielmehr so mich erbarme, dass ich gleichzeitig dankbar bin über das, was ich bin und habe. Und ich mich an Momente erinnere, in denen ich selbst ganz froh war, dass ich (barmherzig) aufgefangen wurde, meine Schwachheit und mein Versagen mir nicht zum Fallstrick wurde.
Kapelle Bruder Klaus
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