Originalillustration 1942 von William Sharp zu Anna Seghers, Das siebte Kreuz, Aufbau Verlag, 2015
Hilfe und Verweigerung von Hilfe – Ein zentrales Thema im Roman Das siebte Kreuz
Der aus dem KZ geflüchtete Georg übernachtet im Mainzer Dom und versteckt dort seinen blutigen Sträflingskittel.
„Er mußte an einer Station heraus, die Augustinerstraße hieß, er ging die Schienen entlang, tiefer in die Stadt. … Er suchte sich einen Eingang. Eine Tür, kein Tor. Er wunderte sich, daß er wirklich hineingelangte. Er fiel auf das nächste Ende der nächsten Bank. Hier, dachte er, kann ich mich ausruhen. … Statt vorzulaufen, duckte er sich hinter einem großen Taufstein und ließ den Küster abschließen.
Am nächsten Morgen fand die Küstersfrau das Bündelchen hinter der Grabplatte eines Erzbischofs. Ihr Mann bringt es dem Dompfarrer. „Pfarrer Seitz hob seinen Kopf. Sie sahen einander in die Augen. „Warum bringen Sie mir eigentlich diesen Dreckfetzen, mein lieber Dornberger?“ – „Meine Frau“, sagte der Küster ein bißchen langsam, damit der Pfarrer Seitz Zeit hatte, nachzudenken, „hat das eben hinter dem Bischof Siegfried von Epstein gefunden.“ Der Pfarrer sah ihn ganz überrascht an. „Sagen Sie mal, Dornberger“, sagte er, „sind wir ein Fundbüro oder ein Diözesanmuseum?“ Der Küster trat dicht an ihn heran. Er sagte leise: „Ob ich nicht doch zur Polizei damit muß?“ – „Zur Polizei?“ fragte der Pfarrer Seitz in hellem Erstaunen, „ja tragen Sie den jeden wollnen Handschuh, den Sie unter einer Bank finden, zur Polizei?“ Der Küster murmelte „Heut morgen hat man da was erzählt – „ – „Erzählt, erzählt. Man erzählt Ihnen wohl noch nicht genug? Man soll vielleicht morgen erzählen, daß sich bei uns die Leute im Dom an- und ausziehen? Das stinkt aber mal. Wissen Sie, Dornberger, da kann man sich ja noch was holen. Das würde ich verbrennen. Das möchte ich nicht in meinem Küchenherd; ist ja eklig. Wissen Sie, das steck ich gleich hier rein.
Während sein Kittel, in dem er Blut geschwitzt hatte, zu einem schmalen Rauchfähnchen wurde, das dem Pfarrer Seitz viel zu langsam und viel zu stinkend durch seinen Fensterspalt entwich, hatte Georg zum Rhein hinuntergefunden… .“
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