heimvorurteil

Kunst · Theater · Literatur

Jesus, der Sohn des Zimmmermann
Portal zur Verkündigungskirche in Nazaret
Foto: H. Brantzen

zum Evangelium am Sonntag – Lk 4,21-30

als er
von den seinen als der ihrige
gespannt erwartet
die heimatarena
religiöser gewohntheit
betritt und
das spiel
nach heimvorteil und spiritainment
aussieht
war klar wie das aus geht

aber
der sohn josefs
mitten im sturm
nicht auf taktik
nicht auf spiel setzt
und gleich ballmächtig
in nur einem satz
– mal gespannt wie das aus geht –
mit prophetisch geballtem Wort:

„jetzt ist er da, der rettende sieg,
die macht und die herrschaft unseres gottes und die vollmacht seines gesalbten“
„jetzt ist sie da, die zeit der gnade;
jetzt ist er da, der tag der rettung …“

als er damit
wirklich so wahnsinnig hoch hinauf
über alle erwartung und horizonte hinaus
also quasi in den grenzenlosen himmel
trifft

da wars aus mit heiligem spiel
religiöser gewohntheit
verwandelte sich der heimvorteil
ins heimvorurteil
unabbaubar und abgrundtief

weil er etwas schier unglaubliches
aber wahres gesagt und getan hat;
nicht nur gespielt:

es gibt gott! Ihr seid nicht sein ball sondern spieler von ihm lieb gewonnen, echt jetzt!

aber
das hat keinen zweck das gibt ja keine punkte
das ist bei weitem nicht die leistung
die wir erwartet haben
bei-aller-liebe-was-zu-viel-ist-zu-viel
nehmt ihn aus dem spiel
war die profitrede der profiteure

die galt was und
da wollte ihn doch niemand haben und
sich noch ein spiel verderben lassen
da musste er raus aus dem verein
die gewohnheit der macht schlug zu

an diesem tag wurde ihm klar
die heimat ist fertig mit dir und
klare ernüchterung in ihm erkannte:
„prophetisches reden hat ein ende …“

aber in einem ruck kraftvollen aufrichtens buchstabierte sein herz:
„mögen sie dich bekämpfen,
sie werden dich nicht bezwingen“

dessen gewiss kehrte er
dem aus-amen-schluss-abgrund den rücken

sein blick machte auf seine bedränger den eindruck unerbittlicher entschlossenheit und trotziger verärgerung zugleich

was aussah wie ein gescheiterter einzelkämpfer war in wirklichkeit ein trainer der sich vornahm:

jetzt erwähle ich mir meine mannschaft

das verschaffte ihm boden unter den füßen
er schritt mitten durch die menge hindurch
ging weg

und machte das kreuz

Armin Noppemberger