Date:08. Mai 2005

Gottes Spuren im Antlitz der Eltern

Meditation

Feldblumenstrauß in einer Vase

 

“Schon seit Januar war meinem Bruder aufgefallen, dass Mutter immer weniger Speisen zu sich nehmen konnte. Mitte August erhielten wir vom Arzt die traurige Gewissheit, dass Magenkrebs vorlag, der nun recht schnell und unerbittlich seinen Weg nahm. Bis Ende Oktober führte sie mit letzter Kraft, schon zu Haut und Knochen abgemagert, meinem Bruder den Haushalt, bis sie beim Einkaufen in einem Geschäft zusammenbrach und dann das Krankenlager nicht mehr verlassen konnte. Wir haben bei ihr ganz Ähnliches wie bei Vater erlebt. Ihre Güte war noch reiner und strahlender geworden und leuchtete auch durch die Wochen wachsender Schmerzen unverändert hindurch. Am Tag nach dem Gaudete-Sonntag, dem 16. Dezember 1963, schloss sie für immer die Augen, aber das Leuchten ihrer Güte ist geblieben und für mich immer mehr zu einer Vertiefung meines Glaubens geworden, von dem sie sich hatte formen lassen. Ich wüsste keinen überzeugenderen Glaubensbeweis als eben die reine und lautere Menschlichkeit, in die der Glaube meine Eltern und so viele andere Menschen, denen ich begegnen  durfte, hat reifen lassen.”

(Joseph Kardinal Ratzinger/ Papst Benedikt XVI.: Aus meinen Leben. Erinnerungen. Stuttgart 1998, 133)
 
Das sagt der langjährige Chef der Glaubenskongregation. Und der weltweit angesehene Theologe Ratzinger. Also Gott in seinen Spuren erfahren vor allen sonstigen “Beweisen” und Aufweisen seiner Existenz und Offenbarung. Die bedeutendste Spur Gottes ist der Mensch, sind die Menschen, an die ich gebunden bin. Gott sei Dank, sind es in sehr vielen Fällen die Eltern. Doch wurde zu wenigen Menschen gelehrt, den Zusammenhang entsprechend herzustellen. Das Bild ist ein Strauß zum Muttertag, der an diesem Sonntag gefeiert wird.

P. Herbert King