Gespräch mit Thérèse

Hingeschaut

Theresia vom Kinde Jesu
Zeichnung Therese von Lisiuex

Thérèse von Lisieux – ein Foto und ein von ihr selbst gemaltes Bild
Bildrechte unbekannt

Frage: Liebe Thérèse,
ich finde das Foto von Dir als Kind sympathisch. Aber die späteren Bilder zeigen oft so ein trauriges Gesicht. Ich kann gut verstehen, dass es schwer für Dich war, schon mit vier Jahren die Mutter zu verlieren – und dann ist auch noch deine geliebte große Schwester ins Kloster gegangen. Das war ja so, als hättest du zum zweiten Mal die Mutter verloren. Hast du deiner Schwester das nicht übel genommen? Warst Du überhaupt jemals froh und unbeschwert in diesen Jahren?

Thérèse
Es gab wirklich Zeiten in meinem Leben, die sehr schwer und traurig waren.  Aber dann gab es auch wieder sehr frohe und glückliche Stunden. Der schönste Abschnitt meines Lebens begann mit einem besonderen Erlebnis an Weihnachten – im Jahr 1886. Ich kann es nur schwer beschreiben.  Ich fühlte, dass Gott mir Kraft schenkte. Und von da an fühlte ich mich stark und mutig.

Liebe Thérèse,
Du hast Dich als Kind so unendlich bemüht,  Gott zu gefallen – und auf alles Mögliche verzichtet. Wäre es nicht besser gewesen, wenn Du dich gegen manche Stichelei gewehrt hättest, statt sie einfach nur zu ertragen? Und wie hast Du es geschafft, dass du immer so freundlich reagiert hast, selbst dann, wenn deine Mitschwestern dir das Leben schwer gemacht haben?

Thérèse
Als Kind wollte ich tatsächlich Gott dadurch besonders gefallen, dass ich auf Dinge verzichtet habe, dass ich Opfer brachte. Möglichst viele, möglichst solche, die mir schwer fielen. Später habe ich dann erkannt, dass es allein auf die Liebe ankommt.  Jesus möchte von uns geliebt werden.  Und er schaut jeden von uns mit den Augen der Liebe an. Das sollen wir auch tun.  Und wenn ich einmal gar nicht mehr freundlich reagieren konnte, ist es mein letztes Mittel gewesen, einfach  weg zu gehen. Du siehst, ich  bin wirklich weit davon entfernt, eine Heilige zu sein.

Liebe Thérèse,
noch eine letzte Frage möchte ich Dir gern stellen. Mancher hält ja Deine Gedanken  für süßlich oder  zu fromm. Aber du hast doch die Realität sehr scharf gesehen. Bei der Romreise warst du erst 14 Jahre alt. Trotzdem hast Du die Menschen sehr genau beobachtet und erkannt, dass die wahre Größe eines Menschen weder von einem  adligen Name noch von seinem geistlichen  Stand abhängt. Und auch Deine Mitschwestern im Karmel verhielten sich nicht immer so, wie man es von Ordensleuten erwartet.  Hast Du denn bei all diesen Erfahrungen nie an der Kirche gezweifelt?

Thérèse
Im Gegenteil. Gerade weil ich erkannt habe, dass auch sie „schwache und zerbrechliche Menschen“ sind, habe ich verstanden, dass es meine Aufgabe als Karmelitin ist, für sie zu beten. Das ist ja die Berufung des Karmel – Apostel der Apostel zu sein.  Damit das „Salz der Erde“  nicht seinen Geschmack verliert. Und ich habe mir immer gewünscht, dass ich nach meinem Tod im Himmel weiter Gutes auf Erden bewirken kann.  Ich möchte Rosen auf die Erde herabfallen lassen. So wie ich als Kind besonders gern Rosenblätter bei der Prozession gestreut habe.  Am liebsten habe ich sie hoch in die Luft geworfen, bevor ich sie fallen ließ…

Anne-Madeleine Plum

 

Ein neues Buch über Thérèse von Lisieux soeben erschienen:

Christian Feldmann, Thérèse von Lisieux. Die schwarze Nacht des Glaubens,
Patris-Verlag, 225 Seiten, lartoniert, ISBN 978-3-87620-392-8, € 11,95.

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