Dr. Gertrud Pollak

Foto: pixabay.com

Sleepy Joe

Mit Genugtuung und manchmal sichtbarer Überheblichkeit konnte Donald Trump den Spitznamen „Sleepy Joe“ für den heutigen Nachfolger Joe Biden durch die Welt schicken. Dieser „schlafende Josef“ ist freilich aufgewacht und sucht als neuer Präsident Amerikas hellwach umzusetzen, was durch Jahre an Würde in seinem Land gleichsam eingeschläfert wurde. Beschlüsse aufheben, heißt auch Weckrufe setzen.

Eigenartig wie sich in einem Menschenleben Schmähungen und Schicksalsschläge durchziehen können, Zumutungen für diesen Mann, Joe Biden, an denen er auch hätte zerbrechen können: Stottern als Kind, Verlust naher, geliebter Menschen, eigene Krankheit zum Tod… Dies und mehr steht neben einer großen positiven Spur in diesem Leben. Entschlossenheit, Mut und Optimismus öffnen immer wieder Türen. Die stets neue Frage bleibt: Wo soll es hingehen?

Solche Überlegungen bewegten einen ganz anderen „Sleepy Joe“, den schlafenden Josef in der Bibel. Der Evangelist Matthäus erzählt dreimal, dass Josef, der Gefährte Mariens, auch bei Schwierigkeiten zwar schläft, aber im Traum die nächste Wegmarke entdeckt (Mt 1,20; 2,13 und 2,19). Er ist der behutsame und hörende Mann, der hinter den vordergründigen Geschehnissen Gottes geheime Schritte ahnt, aufnimmt und danach handelt.

Es ist des Nachdenkens wert, dass die Ausrufung eines Jahres für den Hl. Josef durch den Papst parallel liegt zum Beginn des neuen Präsidenten Joe. Wachsein im Tun und Schlafen sind keine Gegensätze. Beeindruckend, dass der jetzige Papst Franziskus seit seiner Priesterweihe den Hl. Josef als Patron verehrt und ihn bis heute als ganz wichtigen „Mitarbeiter“ einsetzt. Bei seiner Reise nach Manila im Januar 2015 erklärt er öffentlich zur Bedeutung, die der Hl. Josef und eine schlafende Figur von ihm für ihn hat:

„Auf meinem Tisch habe ich ein Bild vom ihm, wo er schläft, und während er schläft, kümmert er sich um die Kirche! Ja! Er kann das und wir wissen es. Und wenn ich ein Problem oder Schwierigkeiten habe, schreibe ich es auf einen kleinen Zettel und lege es dann unter den heiligen Josef, sodass er davon träumt! Das heißt: Bete für dieses Problem!“

Wie einfühlsam und doch alltagstauglich clever dieser schlafende Josef zu sein scheint. Ein sehr besonderer Heiliger, der sogar im Schlaf beschützt und hilft! Das braucht Amerika, das braucht die ganze Welt.

Es könnte sich lohnen, die Aspekte zum Josefsjahr, die im Apostolischen Schreiben des Papstes „Patris Corde“ erörtert werden, zu lesen und umzusetzen in der Kirche und in der Politik. Männer und Frauen mit kreativem Mut und Gebundenheit an Werte sind gefragt, die nicht sich selbst zum Maßstab machen.

Der geschmähte „Sleepy Joe“ scheint sich so zu entpuppen und zu dieser Sorte Menschen mit Verantwortungsbewusstsein zu gehören. Zu wünschen wäre ihm eine ähnliche schlafende Josefsfigur, unter die er viele Zettel platzieren könnte mit den Fragen und Problemen, die anzugehen sind. Keine Magie, aber es wäre Vertrauen auf einen Gott des Lebens, der weiterhin alle Wege mitgeht. Der letzte Satz im päpstlichen Schreiben bliebe der wichtigste Zettel: „… und beschütze uns vor allem Bösen.“

 


 

Dr. Gertrud Pollak, Mainz
Ordinariatsdirektorin a. D.
Generaloberin Säkularinstitut Frauen von Schönstatt