Dr. Gertrud Pollak

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Gefährlich für andere?

Ob es auf dem ausländischen Flughafen war oder doch irgendwo auf der Straße – jedenfalls trotz Vorsicht und ständiger Maske zeigt der Schnelltest auf einmal „positiv“. Die offizielle Testung bestätigt das und plötzlich ändert sich das Lebensgefühl: Mit Covid im Körper ist alles anders. Ich bin plötzlich real gefährlich für andere…

So ein Gedanke! Selten zuvor habe ich mich so gefühlt oder habe so etwas gefragt. Was bedeutet meine Präsenz, mein einfaches Vorbeikommen für die anderen? Womit stecke ich an?
Diese Frage sollte freilich auch nach Covid bleiben. Bin ich als Person neutral, heilsam oder eher gefährlich? Natürlich gab und gibt es Reflexionen um Situationen und Begegnungen vor- oder nachzubereiten, das eigene Reagieren zu bedenken. Vielerlei spezifische Schulen dazu mit Anleitungen und Methoden stehen zur Auswahl.

Für uns als Christen zählen freilich noch ganz andere Spuren. Worte der Bibel zum Beispiel machen mich nachdenklich. Bestimmt hat die Berufung des Abraham einen klaren Kontext. Doch die Aufforderung in Gen 12 lässt sich auch auf jeden von uns Christen anwenden: „Ein Segen sollst Du sein. Ich werde segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den werde ich verfluchen. Durch Dich sollen alle Sippen der Erde Segen erlangen.“ (Gen 12,2-3) Es sind wahrhaft große Worte, Ansprüche aber auch Zusagen, denen wir uns nicht einfach entziehen können. Unsere Beziehung zu Gott will Auswirkungen haben auf das Alltägliche, darauf, wie wir leben. Das lässt ganz anders danach fragen, ob ich ein Segen bin für andere oder eher eine Gefahr. Womit stecke ich meine Umgebung an?

Andere Stellen der Heiligen Schrift bringen die Eckdaten noch anschaulicher ins Wort. Die ersten Bücher der Bibel bezeugen Zusammenhänge, die zwar nicht unserer Kultur und unserem Lebensumfeld entsprechen, aber doch Realitäten beschreiben, die auch unser heutiges Gottesverhältnis betreffen.
Grundfrage ist, woran wir uns in unserem Leben orientieren wollen. Spielt Gott als lebendiger „Mitgeher-Gott“ dafür, wie ich lebe, mit wem ich wie umgehe, eine Rolle? Mich zumindest hat neu nachdenklich gemacht, was das Buch Deuteronomium von Segen und Fluch schreibt: „Seht, heute werde ich euch den Segen und den Fluch vorlegen: den Segen, wenn ihr auf die Gebote des Herrn, eures Gottes, auf die ich euch verpflichte, hört, und den Fluch für den Fall, dass ihr nicht auf die Gebote des Herrn eures Gottes hört, sondern von dem Weg abweicht…“ (Dtn 11,26-28). Es geht nicht um ausführliche Exegese. Es ist klar: Fluch kann noch viel mehr sein als nur Gefahr.

Erfreulich, die Quarantäne hat mein Denkvermögen keineswegs eingeschränkt. Vielmehr blieb endlich einmal ausreichend Zeit, solche Texte und anderes auf mich selbst anzuwenden. Jeder von uns muss damit rechnen, dass unsere bloße Existenz, unsere Handlungen Auswirkungen haben. Ein Segen sollen wir sein, keine Gefahr in dem, wie wir auftreten und handeln. Die Frage bleibt schon: Womit bin ich ansteckend?

Es ist eine Notwendigkeit und kein allzu großer Schritt, wenn wir als Individuen die Folgen unseres eigenen Handelns immer neu in Blick nehmen. Es ist einfach nicht neutral, wie wir leben. Wir können ermutigend anstecken, ein Segen sein. Wir können aber ebenso negativ wirken in unserem Auftreten, Denken, Reden und Tun. Gefährlich für andere?

 


 

Dr. Gertrud Pollak, Mainz
Ordinariatsdirektorin a. D.
Generaloberin Säkularinstitut Frauen von Schönstatt