Date:01. Apr 2015

Flugzeugabsturz

 Zeichen der Zeit

Blick aus Flugzeug - Foto: Hubertus Brantzen

Foto: spurensuche.de

Was Zeitzeichen betrifft, sind wir im Augenblick nicht darum verlegen, schnell eines zu nennen. Mit Bestürzung haben wir den Absturz eines Flugzeugs erlebt. Auch jetzt noch, Tage danach, beschäftigt uns die Sache nach wie vor intensiv und lässt uns ratlos zurück. Wir können an den Reaktionen darauf ein ganzes Bündel von Zeitzeichen beobachten und analysieren.

Zum einen, dass es in unserer schnelllebigen Zeit Ereignisse gibt, die uns dann doch lang anhaltend beschäftigen.

Dann die spontane Trauer, das spontane Mitleid breitester Kreise. Der Bundespräsident bricht seine Lateinamerika-Reise ab. Merkel lässt einen halben Tag lang all ihre Termine ausfallen, Ebenso Präsident Hollande. Der Staatsbesuch des spanischen Königspaars in Paris wird jäh abgebrochen. Sie alle treffen sich in der Nähe der Unglücksstelle. Sicher gut, dass höchste Führer und Führerinnen von Staaten auch auf einer solch menschlichen Ebene sich treffen, sich als Menschen treffen. Sicher eine gut investierte Zeit nicht nur als Ausdruck der Trauer, sondern auch als hoch-menschliche Begegnung der höchsten Vertreter von Völkern.

Viele der Angehörigen und den Verunglückten nahestehende reisen dahin, um an der Todesstelle zu sein. Der ehemalige Vorsitzende der EKD Huber hat in einer Talk-Runde sehr schön erklärt, dass Menschen eben Symbole brauchen, Stellen, an denen sie trauern können, obwohl man dies auch geistiger, spiritueller machen könnte. Ja, ist dies nicht eigentlich erst Spiritualität, wenn auch der leiblich-sichtbare, auch von anderen wahrnehmbare Ausdruck da ist? Ist unsere theologisch geklärte kirchliche Religion nicht allzu sehr entleiblicht worden. Wir begegnen hier dem urmenschlichen Anliegen, Dinge mit dem Leib eher besser sagen zu können als mit Worten, Gedanken und im Innern bleibenden Gefühlen.

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    Dann die notwendige, naheliegende Suche nach dem Schuldigen, den Schuldigen. Wer hat etwas übersehen, vernachlässigt? Hätte man es bei mehr Aufmerksamkeit, Kontrollen, Überprüfungen vermeiden können? Die Lufthansa birgt weltweit für einen besonders hohen Sicherheitsstandart. Dies im professionell-menschlichen Bereich. Dies vor allem im technischen Bereich, zumal bei dem Flugzeugtyp der Airbus-Serie. Ich fühlte mich etwas an den Untergang der Titanic vor rund hundert Jahren erinnert. Unmöglich schien es, dass so ein Schiff untergeht. Und doch! Das Sicherheitsdenken ist ja gerade auch für uns in Deutschland besonders ausgeprägt. Und Lufthansa ist so etwas wie ein nationales Symbol der Zuverlässigkeit, Effizienz, Verlässlichkeit, für alles was so typisch deutsche Tugenden sein mögen. Doch wenn es ein Versagen technischer Art gewesen wäre oder sogar, wenn es menschliches Versagen gewesen wäre, dann wäre dies zwar schlimm, aber doch immerhin verständlich. Doch es war – und das macht die Sache noch unverständlicher und auch unerträglicher menschliches Tun, wie wir es bei einem Amoklauf schon beobachtet haben.

    Und da die Frage: Wem können wir vertrauen? Der Pilot war ja bis dahin völlig unauffällig? Muss ich damit rechnen, dass der Busfahrer oder der Lokführer eines Tages ähnlich unvernünftig und wildgeworden handelt? Ja ist im geistigen Bereich dann sowieso niemandem zu trauen? Wie vernünftig ist eine Welt mit Menschen, die sich auf einmal als gefährlich-unvernünftig erweisen und denen – völlig unvorhersehbar – nichts daran liegt, ob sie Menschen in ein schlimmes Unglück hineinreißen.

    Zu den schon genannten Ritualen gehört, dass Gottesdienste stattfinden, in kleinem Kreis, aber auch in großen religiösen Feiern. Auch das ist ein wichtiges Zeitzeichen, dass bei vielen, vielen Anlässen heutzutage Gottesdienste stattfinden, bei freudigen und vor allem auch bei schmerzlichen Anlässen.

    Auf einmal erscheint dann auch in öffentlichen Bekundungen, wie der des Lufthansa-Sprechers, mündlich und schriftlich (in der großen Todesanzeige) das Versprechen auch des Gebetes. Doch ist das religiöse Thema außer dem festen Ritual des Gottesdienstes dann doch nicht so recht aussprechbar. Über eine religiöse Deutung der Sache hört man ansonsten eher nichts. Es ist auch nicht gut aussprechbar. Es scheint leicht zu billig, zu gemacht, zu missverständlich, als ob man etwas nicht so recht an sich heranlassen wollte. Religion ist halt doch etwas sehr Persönliches und eigentlich Privates. Etwas Unaussprechbares, wie es das Geheimnis des Menschen nun mal ist. Doch bei genauerem Hinsehen wir entdecken viele, viele kleine und größere Symbolhandlungen, ausdrücklich religiöse und säkulare, die es offen lassen, wie religiös gemeint sie sind. Und doch dürfen wir davon ausgehen, dass da Religion drin stecken kann.

    Und was sagen Spurensucher (und Spurenfinder), wie wir das sind? Ich denke, dass sie all dies sagen, was ich hier sozusagen aufgelistet habe. Sie/wir erfahren einmal mehr etwas von der geheimnisvollen Anwesenheit Gottes. Unbegreiflich und manchmal zum Greifen nah. Nur manchmal zum Greifen nah? Aber halt doch da.

    Herbert King