Date:23. Sep 2009

Flügelschlag

Zeichen der Zeit

Engel

Bild: Clementine Schröder-Diepen
 

Zum Fest der Erzengel am 29. September

Kennen Sie Ihren Engel? Kennen Sie Ihren ganz persönlichen Himmelsboten. Die Geistgestalt im Dienste Gottes, der Engel, der Ihnen zugedacht und Sie auf all Ihren Wegen begleitet? Kennen Sie seinen Namen, kennen Sie die Farbe seiner Flügel? Schütteln Sie nicht den Kopf, winken Sie nicht ab, ordnen Sie meine Fragen nicht dem Kinderglauben zu, mit dem man heute auch unsere Kinder nicht mehr verlocken kann. Ich meine es ernst: Kennen Sie Ihren Engel?

Wenn wir die Hl. Schrift aufschlagen, schwirren uns Engelgestalten in Heerscharen entgegen. Doch schauen wir genauer hin: es sind kraftvolle Erscheinungen, die den Auftrag Gottes erfüllen. Wichtig dabei ist der Inhalt der Botschaft, sie selbst als Überbringer der Botschaft treten dahinter zurück. Auch unsere in diesen Tagen gefeierten Erzengel Michael, Gabriel und Rafael machen darin keine Ausnahme. Da begegnen wir in der Bibel unter vielen Anderen dem Engel mit dem Flammenschwert an der Paradiespforte, dem Engel beim Opfer Abrahams, den Engeln auf der Jakobsleiter, dem Verkündigungsengel von Nazareth, dem Traumengel der drei Magier, dem tröstenden Engel im Ölberggarten, dem Engel im leeren Grab Jesu und schließlich den anbetenden Kerubim und Seraphim am Throne Gottes, beschrieben im Buch der Geheimen Offenbarung. Sogar die Weihnachtsengel haben nichts Puttenhaftes an sich, sie singen vom Frieden auf Erden den Menschen guten Willens. Und dies ist und bleibt wohl das umkämpfteste, gefährdeste Gut, das wir kennen.

Alles schön und gut, werden Sie denken, alles schön weit her, aber heute? Wer hat heute schon „die Engel Gottes auf- und niedersteigen sehen“ (Joh 1,51), wie es im Evangelium heißt?

Versuchen wir bei unserer Engelsuche nicht mit einer energischen Handbewegung all die Vorstellungen von Engeln weg zu schieben, die uns von Kunst- und Kitschpostkarten in vielfältigen Formen und Farben entgegenlächeln. Ich fürchte, es könnte sonst geschehen, dass wir uns gänzlich der leisen Ahnung derer berauben, die wir auf der einen Seite zu gerne ins Reich des Krippenspiels verbannen würden, d.h. nicht mehr als zeitgemäß einstufen, auf der anderen Seite uns aber eines schleichendes Gefühls von Kälte und Verlassenheit nicht erwehren können. Versuchen wir also hinter die Kulisse zu schauen. Ziehen wir den Schleier des Numinosen ein klein wenig beiseite.

„Ein Engel ist jemand, den Gott dir ins Leben schickt, unerwartet und unverdient, damit er dir, wenn es ganz dunkel ist, ein paar Sterne anzündet“,

meint Phil Bosmans. Das haben wir alle schon mindestens einmal erfahren dürfen, nicht nur bei Motorschaden auf der Autobahn, wenn die „gelben Engel“ vom ADAC auftauchten. Oder da findet ein Stoßseufzer der Erleichterung Ausdruck: „Du bist ein Engel!“ Hilfe in so mancher Bredouille hat ein menschliches Gesicht bekommen. „Da hast du aber einen guten Schutzengel gehabt!“ Kommentar über eine glücklich überstandene Gefahrensituation.

„Denn Engel wohnen nebenan, wohin wir immer ziehn“ (Emily Dickinson), sagt eine einfache Beschreibung, an welchem Ort Gottes Lebens-Zeichen als Kampfgefährten gegen die Gewalten des Bösen in unserer Welt aufzufinden sind. Nebenan, also ganz nah.

Erfahrbar, spürbar das Wehen ihres Flügelschlags, der nicht für sich zählt, sondern das, was, wie, warum angerührt wird und in Bewegung gerät. Das erfordert schon, ich geb’ es zu, eine gehörige Portion Sensibilität und Offenheit. „Engel“, kann man in einem Bändchen von Wilhelm Bruners über biblische Gespräche lesen,

„sind die blitzschnellen Einfälle Gottes. Und nur wer etwas von der Poesie des lebendigen Gottes versteht, wird auch keinen Anstoß an den Engeln nehmen. Es hat keinen Zweck zu fragen, ob es Engel gibt oder nicht … Nur: ohne Engel wäre die Bibel ärmer, phantasieloser, wäre Gott weniger poetisch, wäre er, was in der Tat schlimm wäre, abstrakter, nicht so hautnah.“

(Das Gespräch mit dem Engel, Düsseldorf/Kevelaer 1990, 11-12)

Kennen Sie Ihren Engel, hatte ich Sie zu Beginn gefragt. Von dem, der für mich Sorge trägt, könnte ich wirklich Erstaunliches berichten. Und ich weiß von ihm nicht nur den Namen und die Farbe seiner Flügel. Erbitten wir einander zum Festtag der Erzengel eine erste oder wiederholte Begegnung mit unserem ganz persönlichen Engel. Und ich versichere Ihnen, er wird besser aussehen als ET, Alf oder ein Jedi-Ritter mit Laserschwert. Und eines Tages wird dieser Engel uns in die Melodie der himmlischen Liturgie einführen. Er weiß sie schon heute, denn er singt sie für uns am Thron des Dreifaltigen Gottes.

 

Christa Müller-Hoberg