Feuerprobe des Glaubens

Die biblischen Lesungen dieses Vorschlags thematisieren die Feuerprobe des Glaubens, die heute wieder weltweit bedrückend aktuell ist. Die Gestalt des maßlosen, sich selbst vergöttlichenden Herrschers von Babylon, der ein monumentales Standbild errichten lässt und von allen Untertanen dessen Verehrung fordert, ist ebenso zeitlos wie die Verwendung von Symbolen des absoluten Herrschaftsanspruchs, ob Hakenkreuz oder Mansudae-Monument. Der Schmelzofen, im biblischen Kontext immer sinnbildlich zu verstehen, ist Ausdruck für die äußerste Glut des Leidens, in die ein Mensch gestürzt wird. In einer solchen Feuerprobe zeigt sich, wie ein Mensch ist und worauf er baut. Der Engel des Herrn, der in diese Not mit hinabsteigt, trägt deutlich die Züge Jesu Christi, der den Menschen in Todesnot nah ist. Und der Gesang der drei Männer im Feuerofen ist nicht etwa Klage und Schmerzensschrei, sondern unfassbarerweise ein Lobpreis Gottes, Lob aus der Tiefe. Das unerschütterliche Vertrauen auf die Bewahrung im Leiden und Sterben, auf Bewahrung der Seele im Tode, ist auch die Grundlage für eine Bereitschaft zum Opfer des eigenen Lebens, die Widerstandskämpfer aller Zeiten zum unwiderstehlichen Zeugen macht. Ihre Worte und Lieder bezeugen, dass Gott mitten im Feuer erlöst.Uwe Steffens Buch zum Thema bietet nicht nur eine umfassende theologische Einführung, sondern auch wichtige literarische Hinweise, so etwa auf Carl Zuckmayers Drama “Der Gesang im Feuerofen”.


Er hat uns mitten aus dem Feuer erlöst.           

(Daniel 3, 88)

Bild: Thomas Zacharias,
Die Jünglinge im Feuerofen
Farbholzschnitt, 1966

>> Zum Bild:  Daniel Feuerofen


Alttestamentliche Lesung:*

Daniel 3, 1.4-8.12-20.49-51.88

König Nebukadnezzar ließ ein goldenes Standbild machen, sechzig Ellen hoch und sechs Ellen breit, und ließ es in der Ebene von Dura in der Provinz Babel aufstellen.
Nun verkündete der Herold mit mächtiger Stimme: Ihr Männer aus allen Völkern, Nationen und Sprachen, hört den Befehl! Sobald ihr den Klang der Hörner, Pfeifen und Zithern, der Harfen, Lauten und Sackpfeifen und aller anderen Instrumente hört, sollt ihr niederfallen und das goldene Standbild anbeten, das König Nebukadnezzar errichtet hat. Wer aber nicht niederfällt und es anbetet, wird noch zur selben Stunde in den glühenden Feuerofen geworfen.
Sobald daher alle Völker den Klang der Hörner, Pfeifen und Zithern, der Harfen, Lauten und Sackpfeifen und der anderen Instrumente hörten, fielen die Männer aus allen Völkern, Nationen und Sprachen sogleich nieder und beteten das goldene Standbild an, das König Nebukadnezzar errichtet hatte. Sogleich traten einige Chaldäer auf und verklagten die Juden. Nun sind da einige Juden, denen du die Verwaltung der Provinz Babel anvertraut hast: Schadrach, Meschach und Abed-Nego. Diese Männer missachten dich, König. Sie verehren deine Götter nicht und beten das goldene Standbild, das du errichtet hast, nicht an.
Da befahl Nebukadnezzar voll Zorn und Wut, Schadrach, Meschach und Abed-Nego herbeizuholen. Man führte die Männer also vor den König.
Nebukadnezzar sagte zu ihnen: Ist es wahr, Schadrach, Meschach und Abed-Nego: Ihr verehrt meine Götter nicht und betet das goldene Standbild nicht an, das ich errichtet habe? Nun, wenn ihr bereit seid, sobald ihr den Klang der Hörner, Pfeifen und Zithern, der Harfen, Lauten und Sackpfeifen und aller anderen Instrumente hört, sofort niederzufallen und das Standbild anzubeten, das ich habe machen lassen, ist es gut; betet ihr es aber nicht an, dann werdet ihr noch zur selben Stunde in den glühenden Feuerofen geworfen. Welcher Gott kann euch dann aus meiner Gewalt erretten?
Schadrach, Meschach und Abed-Nego erwiderten dem König Nebukadnezzar: Wir haben es nicht nötig, dir darauf zu antworten: Wenn überhaupt jemand, so kann nur unser Gott, den wir verehren, uns erretten; auch aus dem glühenden Feuerofen und aus deiner Hand, König, kann er uns retten. Tut er es aber nicht, so sollst du, König, wissen: Auch dann verehren wir deine Götter nicht und beten das goldene Standbild nicht an, das du errichtet hast. Da wurde Nebukadnezzar wütend; sein Gesicht verzerrte sich vor Zorn über Schadrach, Meschach und Abed-Nego. Er ließ den Ofen siebenmal stärker heizen, als man ihn gewöhnlich heizte. Dann befahl er, einige der stärksten Männer aus seinem Heer sollten Schadrach, Meschach und Abed-Nego fesseln und in den glühenden Feuerofen werfen.
Aber der Engel des Herrn war zusammen mit Asarja und seinen Gefährten in den Ofen hinabgestiegen. Er trieb die Flammen des Feuers aus dem Ofen hinaus
und machte das Innere des Ofens so, als wehte ein taufrischer Wind. Das Feuer berührte sie gar nicht; es tat ihnen nichts zuleide und belästigte sie nicht.
Da sangen die drei im Ofen wie aus einem Mund, sie rühmten und priesen Gott.
Preist den Herrn, Hananja, Asarja und Mischaël; lobt und rühmt ihn in Ewigkeit! Denn er hat uns der Unterwelt entrissen und aus der Gewalt des Todes errettet. Er hat uns aus dem lodernden Ofen befreit, uns mitten aus dem Feuer erlöst.

 

Kehrvers:

Wir gingen durchs Feuer und du hast uns befreit. (Psalm 66,12)

Psalm  66,1-4.9-11.17-20

Jauchzt vor Gott, alle Länder der Erde!
Spielt zum Ruhm seines Namens!
Verherrlicht ihn mit Lobpreis!
Sagt zu Gott: «Wie Ehrfurcht gebietend sind deine Taten;
vor deiner gewaltigen Macht müssen die Feinde sich beugen.»
Alle Welt bete dich an und singe dein Lob,
sie lobsinge deinem Namen!
Er erhielt uns am Leben
und ließ unseren Fuß nicht wanken.
Du hast, o Gott, uns geprüft
und uns geläutert, wie man Silber läutert.
Du brachtest uns in schwere Bedrängnis
und legtest uns eine drückende Last auf die Schulter.
Ihr alle, die ihr Gott fürchtet, kommt und hört;
ich will euch erzählen, was er mir Gutes getan hat.
Zu ihm hatte ich mit lauter Stimme gerufen
und schon konnte mein Mund ihn preisen.
Hätte ich Böses im Sinn gehabt,
dann hätte der Herr mich nicht erhört.
Gott aber hat mich erhört,
hat auf mein drängendes Beten geachtet.
Gepriesen sei Gott;
denn er hat mein Gebet nicht verworfen
und mir seine Huld nicht entzogen.

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Neutestamentliche Lesung:

1. Petrusbrief 4, 12-14

Liebe Brüder, lasst euch durch die Feuersglut, die zu eurer Prüfung über euch gekommen ist, nicht verwirren, als ob euch etwas Ungewöhnliches zustoße. Stattdessen freut euch, dass ihr Anteil an den Leiden Christi habt; denn so könnt ihr auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit voll Freude jubeln. Wenn ihr wegen des Namens Christi beschimpft werdet, seid ihr selig zu preisen; denn der Geist der Herrlichkeit, der Geist Gottes, ruht auf euch.

Ruf vor dem Evangelium

(Daniel 3,88)

Preist den Herrn, lobt und rühmt ihn in Ewigkeit.

Evangelium: Markus 13, 9-13

Ihr aber, macht euch darauf gefasst: Man wird euch um meinetwillen vor die Gerichte bringen, in den Synagogen misshandeln und vor Statthalter und Könige stellen, damit ihr vor ihnen Zeugnis ablegt. Vor dem Ende aber muss allen Völkern das Evangelium verkündet werden. Und wenn man euch abführt und vor Gericht stellt, dann macht euch nicht im voraus Sorgen, was ihr sagen sollt; sondern was euch in jener Stunde eingegeben wird, das sagt! Denn nicht ihr werdet dann reden, sondern der Heilige Geist.
Brüder werden einander dem Tod ausliefern und Väter ihre Kinder, und die Kinder werden sich gegen ihre Eltern auflehnen und sie in den Tod schicken.
Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden; wer aber bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet.


Lied: Schließ Aug und Ohr für eine Zeit – Das Lied der Weißen Rose

Friedrich Gundolf, eigentlich Friedrich Leopold Gundelfinger, deutscher Dichter und Germanist, gehörte zum Kreis um Stefan George, wie auch Graf Stauffenberg. Sein Lied „Schließ Aug und Ohr für eine Weil“ zeigt den Einfluss Georges auf den jüdischen Dichter. Es wurde in den „illegalen“- also von den Nationalsozialisten verbotenen – Jugendgruppen, in der bündischen Jugend und katholischen Jugendverbänden, gern gesungen. Willi Graf, selbst Leiter in der katholischen Jugendbewegung „Grauer Orden“, brachte das Lied mit in die Widerstandsgruppe der Weißen Rose. Es gilt als Sophie Scholls Lieblingslied und wurde so zum „Lied der Weißen Rose“.
Schließ Aug und Ohr für eine Weil
Vor dem Getös der Zeit,
Du heilst es nicht und hast kein Heil
Als wo dein Herz sich weiht.

Dein Amt ist hüten, harren, sehn
Im Tag die Ewigkeit.
Du bist schon so im Weltgeschehn
Befangen und befreit.

Die Stunde kommt, da man dich braucht.
Dann sei du ganz bereit
Und in das Feuer, das verraucht,
Wirf dich als letztes Scheit.

 

In: Die Neue Fahrt. Lieder der Jungenschaft, Freiburg 1956, S. 121.
Von verschiedenen Interpreten auch im Internet zu hören.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Literaturhinweis:

Uwe Steffen, Feuerprobe des Glaubens. Die drei Männer im Feuerofen, Göttingen 1969.

 

 

 

Geistlicher Text: Christa Reich – Doxologie macht Zukunft präsent.

„Mitten im Feuer sangen die Drei. Sie sind sozusagen selbst schuld daran, dass sie ins Feuer geworfen werden – es überfällt sie nicht ein blinder Zufall oder ein unerwartetes Unglück. Sie haben sich geweigert, das goldene Götzenbild anzubeten, das Nebukadnezar aufgestellt hat… Sie überlassen sich ganz und gar – auf Gedeih und Verderb – dem Willen ihres Gottes, weil sie wissen, dass Seine Hand nicht nur über ihnen ist, sondern dass sie auch ausgestreckt ist unter ihnen, in einer Tiefe, die sie gar nicht ermessen können.
Die Geschichte erzählt dann weiter, dass Nebukadnezar in das lodernde Feuer hinunterschaut und die drei Männer freu umhergehen sieht und daßssbei ihnen eine helle Gestalt ist. Und Nebukadnezar erschrickt. Und mitten im Feuer singen die Drei…
Nun kann einer sagen: das ist eine schöne symbolische Geschichte, anschaulich und bildhaft ist sie erzählt. Aber in Wirklichkeit gibt es ja so etwas nicht. Wo gäbe es das in unserer Welt, dass Menschen im Feuer nicht verbrennen, Rauch und Qualm sie nicht ersticken? Wo gäbe es das, dass Menschen in einer solchen Situation nicht vor Qual und Schmerz schreiben oder um Hilfe rufen, sondern dass sie Gott preisen?
Das gibt es nicht. Das gibt es genauso wenig wie: dass einer von den Toten aufersteht. Das passt nicht zu unserer Wirklichkeit. Es ist absurd, so etwas für wahr zu halten. Mitten im Feuer Gott preisen – ist das nicht absurd?
Und mitten in dieser Welt leben und sehen, wie sie ist, und Gott preisen – ist das nicht auch absurd? … Es kann nicht darum gehen, dass wir Gott loben und dabei zusehen, wie andere Menschen in ihren Feuern brennen. Wir müssen selbst hinein ins Feuer – vorbehaltlos – auf Gedeih und Verderb.“
Dennoch gibt es die Erfahrung auch heute, „dass Menschen wie aus einem Munde rufen können: Gepriesen sei Gott! Ein solcher Gesang kann sein wie ein schützender, heller Raum, der Menschen frei atmen lässt und birgt und beieinander hält. Ein Raum, der viel größer und weiter und tiefer ist, als unser kleines Herz es fassen und unser unruhiger Geist ermessen kann. Im Lobpreis wird die Hoffnung für unsere Welt laut – wird Realität, weil Menschen ihren Atem, ihre Stimme, ihr Fühlen, Wollen und Denken dafür zur Verfügung stellen, so dass die Hoffnung tönende Wirklichkeit wird. Jedesmal, wenn ein Mensch Gott preist, ist das so – und am tiefsten hinunter in die menschliche Existenz und am höchsten hinauf in den Horizont der Hoffnung reicht der Lobgesang, der mitten aus dem Feuer kommt: wenn Schwache Gott preisen; wenn Gefangene singen; wenn Mühselige und Beladene den Vater rühmen; wenn Kleine und Unbeachtete nichts Besseres zu tun wissen, als Psalmen zu singen.
… Es ist ein Geheimnis: die Kraft, die ausgeht vom Lobgesang derer, die durchs Feuer müssen. Ist es nicht das Geheimnis des Auferstandenen, der so Seine Spuren einprägt in unser Leben und in unsere Kirche und in unsere Welt? Ist es nicht die helle Gestalt, die der König Nebukadnezar sah, die um uns weiten Raum schafft – schon jetzt – schon hier?“
Doxologie, so Christa Reich, zerbricht den Kausalzusammenhang der Normalzeit und bringt eine Freiheit eigener Art ins Spiel. Die „Singenden werden von einer Zukunft berührt, die in Vergangenem gegründet. Durch die singenden Stimmen wird solche Zukunft präsent“, „aus ihr erwächst eine Energie, die die Gegenwart verändert.“

Auszüge aus Predigten, vgl. dazu: Christa Reich, „…dein ist die Herrlichkeit“. Doxologische Spurensuche im Horizont von Te Deum und Feuerofen, in: Doxologie, gesungene Theologie, Arbeitsstelle Gottesdienst 17 (2003), S. 10.

 

 

Zusammenstellung: Hans-Jakob Becker / Anne-Madeleine Plum Dieser Gottesdienst:  20 Pen B in Patmos Vgl. dazu ausführlich: Hansjakob Becker, „Dies große Wort, geschrieben weiß auf schwarz“. Patmos: Begegnungen mit der Bibel im Kontext von Kultur – Liturgie  – Spiritualität, in: Pietas Liturgica 16, Tübingen 2015.

* Texte aus der Heiligen Schrift sind entnommen aus der Einheitsübersetzung © 1980, Katholische Bibelanstalt GmbH.

Liste der Wort-Gottes-Feiern “Patmos”

Informationen zur Gottesdienst-Reihe “Patmos”