Das Buch des Propheten Ezechiel hat zeitlose Spuren in der Kunstgeschichte hinterlassen, gehen doch die vier Evangelistensymbole Mensch, Löwe, Stier und Adler auf die Vision in Ez 1,10 zurück, wo sie den Thronwagen Gottes tragen. Gott sendet Ezechiel ausdrücklich zu den Verschleppten, d.h. den 597 v.Chr. nach Mesopotamien deportierten Landsleuten. Aber auch den in Jerusalem Zurückgebliebenen verkündet er Gottes Strafgericht und Verbannung, die 586 v.Chr. bittere Realität wird. Doch dann wandelt sich Ezechiels Auftrag, er verkündet die Wiederherstellung des Tempels, die erneute Einheit des Reiches, Heimkehr und Befreiung. Die prophetische Gerichtspredigt wird zur Frohbotschaft für das Volk, in dessen Mitte Gott wohnt. Das Motiv der Zerstreuung und Zusammenführung spiegelt sich in den neutestamentlichen Texten, ihre Vollendung erfährt die Sammlung der Versprengten in der eucharistischen Gemeinschaft. Die in der Diaspora – im wörtlichen und im übertragenen Sinn – leben, erfahren: „Hier ist der Herr.“
Bild: Bundeslade
Steinrelief der teilweise restaurierten Synagoge von Kapernaum
(Dekoriertes Architekturteil aus der Synagoge von Kapernaum, ausgestellt im Garten der Synagoge:
Relief der Bundeslade auf einem vierrädrigen Wagen.)
>> Zum Bild: Ezechiel
Darum sag: So spricht Gott, der Herr: Auch wenn ich sie weit weg unter die Völker geführt und in alle Länder zerstreut habe, so bin ich doch in den Ländern, wohin sie gekommen sind, beinahe zum Heiligtum für sie geworden.
Darum sag: So spricht Gott, der Herr: Ich führe euch aus allen Völkern zusammen, sammle euch aus den Ländern, in die ihr zerstreut seid, und gebe euch das Land Israel. Und sie werden dorthin kommen und alle ihre abscheulichen Götzen aus dem Land entfernen. Ich schenke ihnen ein anderes Herz und schenke ihnen einen neuen Geist. Ich nehme das Herz von Stein aus ihrer Brust und gebe ihnen ein Herz von Fleisch, damit sie nach meinen Gesetzen leben und auf meine Rechtsvorschriften achten und sie erfüllen. Sie werden mein Volk sein und ich werde ihr Gott sein.
Du sammelst die Versprengten Israels. (Psalm 147,2)
Halleluja! Gut ist es, unserm Gott zu singen;
schön ist es, ihn zu loben.
Der Herr baut Jerusalem wieder auf,
er sammelt die Versprengten Israels.
Er heilt die gebrochenen Herzen
und verbindet ihre schmerzenden Wunden.
Er bestimmt die Zahl der Sterne
und ruft sie alle mit Namen.
Groß ist unser Herr und gewaltig an Kraft,
unermesslich ist seine Weisheit.
Der Herr hilft den Gebeugten auf
und erniedrigt die Frevler.
Er verkündet Jakob sein Wort,
Israel seine Gesetze und Rechte.
An keinem andern Volk hat er so gehandelt,
keinem sonst seine Rechte verkündet. Halleluja!
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Bei der Verfolgung, die wegen Stephanus entstanden war, kamen die Versprengten bis nach Phönizien, Zypern und Antiochia; doch verkündeten sie das Wort nur den Juden. Einige aber von ihnen, die aus Zypern und Zyrene stammten, verkündeten, als sie nach Antiochia kamen, auch den Griechen das Evangelium von Jesus, dem Herrn. Die Hand des Herrn war mit ihnen und viele wurden gläubig und bekehrten sich zum Herrn. Die Nachricht davon kam der Gemeinde von Jerusalem zu Ohren und sie schickten Barnabas nach Antiochia.
Als er ankam und die Gnade Gottes sah, freute er sich und ermahnte alle, dem Herrn treu zu bleiben, wie sie es sich vorgenommen hatten. Denn er war ein trefflicher Mann, erfüllt vom Heiligen Geist und von Glauben. So wurde für den Herrn eine beträchtliche Zahl hinzugewonnen. Barnabas aber zog nach Tarsus, um Saulus aufzusuchen. Er fand ihn und nahm ihn nach Antiochia mit. Dort wirkten sie miteinander ein volles Jahr in der Gemeinde und unterrichteten eine große Zahl von Menschen. In Antiochia nannte man die Jünger zum ersten Mal Christen.
Du starbst am Kreuz, um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln.
Da beriefen die Hohenpriester und die Pharisäer eine Versammlung des Hohen Rates ein. Sie sagten: Was sollen wir tun? Dieser Mensch tut viele Zeichen. Wenn wir ihn gewähren lassen, werden alle an ihn glauben. Dann werden die Römer kommen und uns die heilige Stätte und das Volk nehmen. Einer von ihnen, Kajaphas, der Hohepriester jenes Jahres, sagte zu ihnen: Ihr versteht überhaupt nichts. Ihr bedenkt nicht, dass es besser für euch ist, wenn ein einziger Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde geht. Das sagte er nicht aus sich selbst; sondern weil er der Hohepriester jenes Jahres war, sagte er aus prophetischer Eingebung, dass Jesus für das Volk sterben werde. Aber er sollte nicht nur für das Volk sterben, sondern auch, um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln. Von diesem Tag an waren sie entschlossen, ihn zu töten.
Lieder zur Gabenbereitung: „Dank sei dir, Vater, für das ewige Leben“ und “Nimm, o Gott, die Gaben, die wir bringen”
Die Eucharistiegebete der Didache danken Gott für Leben und Erkenntnis durch Jesus Christus, dafür dass Gott den Menschen Speise und Trank gegeben hat, damit er dankt. Sie danken für Gottes Macht, für Gottes heiligen Namen, für den Glauben und die Unsterblichkeit, sie danken für eine geistige Speise, einen geistigen Trank und für das ewige Leben.
Dies wird in der ersten Strophe des Liedes von Maria Luise Thurmair, Dank sei dir, Vater, für das ewge Leben (Gotteslob 484), fast wörtlich gesungen:
„ Dank sei dir, Vater, für das ewge Leben
und für den Glauben, den du uns gegeben,
dass wir in Jesus Christus dich erkennen
und Vater nennen.“
Das beliebte Lied aus dem Musical Jesus Christ Superstar von Andrew Lloyd Webber Nimm, o Herr, die Gaben formuliert „was wir beten und was wir singen soll allein unsre Opfergabe sein“ (in der älteren deutschen Version von Look at all my trials and tribulations). Der Text wurde im neuen Gotteslob unter Nr. 188 erweitert: „Wie die vielen Körner und die Trauben, eins geworden nun als Brot und Wein, lass uns alle, die wir an dich glauben, eine Opfergabe als deine Kirche sein“ (Str. 4). Diese letzte Bitte birgt theologische Schwierigkeiten. Unabhängig davon und vom satirischen Unterton des Originaltextes von Tim Rice (von Kritikern spöttisch zusammengefasst:„Lasst uns eine Kirche gründen, berühmt werden und uns mit reichlich Wein zur Ruhe setzen“) ist die textliche Erweiterung durch die dritte Strophe ein Gewinn, die an den Propheten Ezechiel erinnert (Ez 36,26): Nimm uns an, sei du in unsrer Mitte, wandle unser Herz wie Brot und Wein.
Ganz explizit spricht die Didache von der Zusammenführung der Zerstreuten: „Wie dieses gebrochene Brot auf den Bergen zerstreut war und zusammengebracht eins wurde, so möge Deine Gemeinde von den Enden der Erde zusammengebracht werden in Dein Reich.“ Genau diese Bitte formuliert auch die vierte Strophe von Thurmairs Lied:
„ Aus vielen Körnern ist ein Brot geworden:
So führ auch uns, o Herr, aus allen Orten
durch deinen Geist zu einem Volk zusammen
in Jesu Namen.“
In einer Zeit, in der die konfessionelle Aufspaltung der Christenheit nicht nur in den Augen der Christenverfolger, sondern auch einer religiös indifferenten Gesellschaft irrelevant geworden ist, scheint das eine sinnvolle Akzentuierung.
Literaturhinweis: Ezechiel: Ver-rückte Welten, Bibel und Kirche 3 (2005).
Die Didache (griechisch „Lehre der zwölf Apostel“) gilt als älteste Schrift der frühen Christen außerhalb des Neuen Testaments. Datiert wird sie auf das erste Jahrhundert, wahrscheinlich handelt es sich um eine Zusammenstellung von sehr frühen Quellen (50-100 n.Chr.) aus Syrien oder Palästina. In Kapitel 9 und 10 finden sich Anweisungen für die Eucharistie und Gebete, die große Ähnlichkeit mit jüdischen Gebeten aufweisen.
„9. Kap. Belehrung über die Feier der Eucharistie.
1. Bezüglich der Eucharistie haltet es so: 2. Zunächst in betreff des Kelches: Wir danken Dir, unser Vater, für den heiligen Weinstock Davids, Deines Knechtes, den Du uns zu erkennen gabst durch Jesus, Deinen Knecht; Dir sei die Ehre in Ewigkeit. 3. Und in betreff des gebrochenen Brotes: Wir danken Dir, unser Vater, für das Leben und die Erkenntnis, die Du uns zu erkennen gabst durch Jesus, Deinen Knecht; Dir sei die Ehre in Ewigkeit. 4. Wie dieses gebrochene Brot auf den Bergen zerstreut war und zusammengebracht eins wurde, so möge Deine Gemeinde von den Enden der Erde zusammengebracht werden in Dein Reich; weil Dein ist die Ehre und die Macht durch Jesus Christus in Ewigkeit. 5. Aber keiner darf essen oder trinken von eurer Eucharistie, außer die auf den Namen des Herrn getauft sind. Denn auch hierüber hat der Herr gesagt: “ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben”(Mt 7,6).
10. Kap. Dankgebet nach der Feier der Eucharistie.
1. Wenn ihr aber gesättigt seid, danket also: Wir danken Dir, heiliger Vater, für Deinen heiligen Namen, dessen Wohnung Du in unseren Herzen bereitet hast, und für die Erkenntnis und den Glauben und die Unsterblichkeit, die Du uns zu erkennen gabst durch Jesus Deinen Knecht; Dir sei die Ehre in Ewigkeit. 3.Du allmächtiger Herrscher, “hast alles erschaffen” (Weish 1,14; Sir. 18,1; Offb 4,11; 10,6) um Deines Namens willen, hast Speise und Trank gegeben den Menschen zum Genusse, damit sie Dir danken; uns aber hast Du geschenkt eine geistige Speise, einen geistigen Trank und ein ewiges Leben durch Deinen Knecht. 4. Vor allem danken wir Dir, weil Du mächtig bist; Dir sei die Ehre in Ewigkeit. 5. Gedenke, o Herr, Deiner Gemeinde, daß Du sie erlösest von allem Übel und sie vollkommen machest in Deiner Liebe, “führe sie zusammen von den vier Winden” (Mt 24,31), die Geheiligte, in Dein Reich, das Du ihr bereitet hast; weil Dein ist die Macht und die Ehre in Ewigkeit. 6. Es soll kommen die Gnade und vergehen diese Welt. “Hosanna dem Gotte Davids”(Mt 21,9.15). Ist einer heilig, so soll er kommen; ist er’s nicht, so soll er sich bekehren, maranatha (1 Kor 16,22), Amen. Den Propheten gestattet, Dank zu sagen, soviel sie wollen.“
Didache oder die Apostellehre. Die Apostolischen Väter, Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 35, München 1918, Kapitel 9 und 10.
Vgl. http://www.unifr.ch/bkv/buch1.htm
Zusammenstellung: Hans-Jakob Becker / Anne-Madeleine Plum Dieser Gottesdienst: 21 Pen D in Patmos Vgl. dazu ausführlich: Hansjakob Becker, „Dies große Wort, geschrieben weiß auf schwarz“. Patmos: Begegnungen mit der Bibel im Kontext von Kultur – Liturgie – Spiritualität, in: Pietas Liturgica 16, Tübingen 2015.
* Texte aus der Heiligen Schrift sind entnommen aus der Einheitsübersetzung © 1980, Katholische Bibelanstalt GmbH.