Aber – tragen wir unsere Masken wirklich nur zur Fastnachtszeit,
oder, nur besser getarnt, gut verteilt über das ganze Jahr?
Welche Masken trage ich?
¬ Masken die mich schützen?
¬ Masken, die mich verbergen?
¬ Masken, die mich niederdrücken?
Gibt es jemanden, dem gegenüber ich
die Masken getrost ablegen kann?
¬ Mich selbst?
¬ einen anderen Menschen?
¬ Gott?
Die folgenden Zeilen von Rose Ausländer machen mich nachdenklich:
In schwarzen Kutten
die Stunden ähneln einander
wie blaugefrorene Sterne
mit Vierzackenkronen
Fasching
der Erlkönig mit Kometenschweif
winkt
im Nachtwald
tanzen die Töchter
Vermummt das Schicksal
lacht in der Fastnacht
der Jahrbaum legt an einen Ring
leg an leg ab die Maske
tanz mit dem Karneval
in der Fastnacht
Einsam das Erlkind
vergisst seinen Namen
Raupen – Schmetterlingsnamen
Rumpelstilzchen
du weißt
sprich ihn nicht aus
in der maskengeschützten
Mummenschanznacht
Aus: Literarische Auslese für das neue Jahrhundert. Texte für jeden Tag des Jahres. Hg. v. Wolfgang Erk, Radius-Verlag, Stuttgart 1999, S. 55.