Die erste Pleite der Deutschen bei der Europameisterschaft durch das unglückliche Eigentor drängt dazu, das Zeichen der Zeit „Sport und Fußball“ näher anzuschauen. Nach den harten Corona-Zeiten für alle Sportfans fliegt gleichsam der Korken aus der Flasche, die unter Überdruck stand. Endlich!
In den vergangenen Monaten wurde mir neu bewusst, welch große Rolle Fußball und Sport bei den Menschen spielt. Ich sehe das Bild in jeder heute-Sendung vor mir: Eine Sprecherin und ein Sprecher stehen nebeneinander, um die Nachrichten zu präsentieren. Zwei Themen – fast gleichgeordnet: die Ereignisse des Tages in Politik und Gesellschaft – und der Sport. Zugegeben: die Sportnachrichten nehmen etwas weniger Raum ein.
Ein Sender wie das ZDF richtet eine solche Nachrichten-Struktur nur ein, wenn er gute Gründe dafür hat: Die Menschen brauchen das. Das ist gewünscht. Das kommt an. Sonst hätten Proteste oder Beschwerden lange die Struktur verändert.
Die herausragende Stellung des Sports hat sicher damit zu tun, dass Sport und sportliche Leistung mit der Identität des Menschen zu tun hat. Im Sport spielen Selbsterfahrung, Selbsterkundung, Selbstbeobachtung und Selbstwahrnehmung eine große Rolle: Was schaffe ich? Wie weit kann ich mit meinen Kräften gehen? Wie stelle ich mich dabei ins Verhältnis zu anderen?
Nicht umsonst betonen die Sportvereine, dass sie zur Identitätsbildung der Kinder und Jugendlichen beitragen. Doch auch für die Erwachsenen spielt die Zugehörigkeit zu einem Sportverein eine große Rolle. Bayern München führt die Tabelle der Vereinsmitgliederzahlen an: 293.000 – mit weitem Abstand vor Schalke und Dortmund. Bayern München zählt 358.000 Fanclub-Mitglieder und fast 4.500 Fanclubs. Das hat mit sozialer Identität zu tun.
Wer sind in unserer Gesellschaft die Institutionen, die eine vergleichbare Identität von vielen Menschen zustande bringen?