Date:26. Jun 2013

Erinnerung und Abschied

Zeichen der Zeit

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In unserer schnelllebigen Mediengesellschaft wechseln die Ereignisse und Gesichter schnell, die die Nachrichten beherrschen.  Wer es mal ausprobieren will: Einfach mal für eine Woche  regelmäßig google News anklicken, auf die Schlagzeilen blicken und verfolgen, wie rasch Namen verschwinden und neue auftauchen. Barak  Obama ist abgereist, Angelina Jolie schon fast wieder vergessen. Diese Woche sind es beispielsweise  Ex-Geheimdienstmann Snowden mit seinen Abhörenthüllungen, der neue  Bayerntrainer Pepe Guardiola und – ach ja –  mal wieder  Silvio Berlusconi. Werden diese Leute in ein paar Jahren noch eine Schlagzeile finden?

In dieser Woche finden sich  in den Schlagzeilen jedoch zwei  Namen, bei denen es irgendwie anders ist. Das ist  zum einen der frühere amerikanische Präsident  John F. Kennedy, dessen Satz „Ich bin ein Berliner“ bei seiner Rede vor genau 50 Jahren in der geteilten Stadt sich tief in das kollektive Bewusstsein der Menschen hier in Deutschland eingeprägt hat, gesprochen ein knappes halbes Jahr vor seiner Ermordung im November 1963.

Und da ist zum anderen Nelson Mandela, der Friedensnobelpreisträger und Widerstandskämpfer gegen das Apartheidregime. 27 Jahre verbrachte er im Gefängnis  und wurde dann der erste schwarze Präsident Südafrikas.  Jetzt liegt er – so lassen sich die Berichte aus Südafrika deuten –  im Sterben. Die Geburtsjahre der beiden liegen übrigens nur ein Jahr auseinander, 1917 ist Kennedy geboren, 1918 Mandela. Ihre Lebenswege hätten nicht unterschiedlicher verlaufen können, ihre Persönlichkeiten unterscheiden sich ebenso.  Doch beide sind auf ihre Weise zu Symbolgestalten geworden und haben Zeichen in ihrer Zeit gesetzt, die weiter wirken.

Deshalb bleibt hier in Deutschland  die Erinnerung wach an jenen unvergessenen Moment vor 50 Jahren in  Berlin. Und wir erfahren in diesen Tagen, wie in Südafrika die Familie und mit ihr ein ganzes Land Abschied  nimmt von einem Mann, der zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der letzten Jahrzehnte  zählt. Wer aber, als Gemeinschaft wie individuell,  wirklich sich erinnern und Abschied nehmen will, braucht eines in unserer Zeit ganz besonders: Eine bewusste Entschleunigung, die die Atemlosigkeit und die Hektik des Alltags zu unterbrechen vermag.

Andreas Ruffing