Date:13. Okt 2010

Ergebnisse der Shellstudie 2010

Zeichen der Zeit

Stern

 

Eine Reflexion

“Nur 30% der Jugendlichen glauben an einen persönlichen Gott. Weitere 15% an eine unpersönliche “höhere Macht”. 28% der Jugendlichen dagegen stehen der Religion fern, der Rest, 23% ist sich in religiösen Dingen unsicher. Während in den neuen Ländern [gemeint sind wohl die ostdeutschen Bundesländer] die große Mehrheit der Jugendlichen kaum einen Bezug zu Religion und Kirche hat, pflegen die meisten westdeutschen Jugendlichen eine “Religion light”, eine Patchwork-Religion aus religiösen und pseudoreligiösen Versatzstücken nahe am Aberglauben. Echte Religiosität ist dagegen bei Migranten zu finden. 52% der ausländischen Jugendlichen glauben an einen persönlichen Gott.

Was heißt aber “Aberglaube”, was heißt überhaupt “Religion”? Unsere Theologen sind äußerst schnell bereit, etwas als “Aberglaube” abzuqualifizieren. Dazu: Bernd Schröder: Was heißt hier religiös? Jugendliche und Religion. Google.de: Shell-Studie 2010, Religion.

In ihrem eben verabschideten Leitbild-Papier – auch dies ein Zeitzeichen – hat die Schönstatt-Bewegung in Deutschland unter anderem folgenden Brennpunkt. “Gott als Gott des Lebens verkünden… Deuten der Zeichen der Zeit…Suchen nach den Spuren und Plänen Gottes im Leben der Menschen, in den Dingen und Ereignissen… Unsere Arbeit orientiert sich an den konkreten Menschen mit ihren Freuden und Sorgen, mit ihrer Sehnsucht und ihrer Gebrochenheit.”

Wir lesen weiter: “Die Säkularisierung unserer Gesellschaft verstehen wir als ein Zeichen der Zeit, den Gott des Lebens und der Geschichte, wie ihn die Bibel beschreibt, neu zu verkünden. Wir sehen diesen Auftrag umso deutlicher, da die Gottesfrage, die Frage, wer Gott für uns ist und wie er wirkt, mehr und mehr zur Überlebensfrage des christlichen Glaubens und der Kirche, besonders in unserem Land und in Europa wird.” Schönstatt will und soll eine “originelle Glaubensschule” sein und werden.

Das Gottesthema, schon gar nicht die Erfahrbarkeit Gottes, war noch nicht Thema des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dieses hat innerkirchlich, innerchristlich gedacht und hat den Gottesglauben einfach vorausgesetzt. Davon ist die kirchliche durchschnittliche Verkündigung und Praxis seither geprägt. Der heute viel beschworene Rückgriff auf das Konzil greift insofern zu kurz.

Wenn Hans Küng in seinem “Projekt Weltethos” dazu aufruft, dass alle Religionen ihren gemeinsamen ethischen Bestand herausarbeiten und in die globalisierte Weltkultur einbringen, so geht es gleichzeitig mehr und mehr auch darum, dass der gemeinsame religiöse Bestand der Religionen herausgearbeitet wird. Und dieser hat es zunächst zu tun mit dem gemeinsamen Glauben an den Gott des Lebens und der Geschichte und dem Glauben, diesen ansprechen zu können und von ihm angesprochen zu werden.

Angefangen beim Ökumenismus lässt sich sagen: Die beiden großen Begegnungen der kirchlichen Bewegungen in Stuttgart vor wenigen Jahren haben diesen Gesichtspunkt in die ökumenischen Bemühungen eingebracht. Das war neu. Nicht die Unterschiede in manchen Lehraussagen, nicht die Frage nach der “eucharistischen Gastfreundschaft” spielte da eine Rolle, sondern die eben genannte Gemeinsamkeit im Umgang mit dem Gott des persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens. Damit werden die anderen Themen natürlich nicht obsolet.

Dagegen tun sich die östlichen Kirchen an dieser Stelle immer noch schwer. So war es eine wichtige Bedingung für den Besuch Johannes Pauls II. im Katharinenkloster am Fuß des Sinai, dass nicht gemeinsam gebetet würde, dass überhaupt nicht gebetet würde. Und eine Gruppe von Christen musste neulich erleben, wie eine äußerst gute und freundliche Begegnung mit orthodoxen Priestern im Heiligen Land atmosphärisch regelrecht kippte, als einer vorschlug, zum Schluss noch etwas zu beten. Und das berühmte Friedensgebet in Assisi mit Vertretern der verschiedenen Religionen fand statt unter der Bedingung, dass nicht gemeinsam gebetet wird. Jede der Religionen betete für sich und an einem eigenen Ort. Und wie steht es in Deutschland um das gemeinsame Gebet von Christen und Muslimen, etwa in Schulen?

Da ist noch viel Arbeit zu leisten an dem, was die Welt-Religionen bei allen Unterschieden eint. Wohlgemerkt: Es geht um den gemeinsamen Bestand in einer Welt, die sich mit dem Gottesglauben oft sehr schwer tut und die staunend und vielfach entsetzt beobachtet, dass religiöse Menschen, je religiöser sie sind, umso weniger gemeinsam miteinander Gott begegnen können und dürfen, gemeinsam zu ihm sprechen und ihn hören können. Religion steht in dieser Hinsicht regelrecht am Pranger.
 

Für Theologen ein Buchhinweis:

Thomas Ruster: Der verwechselbare Gott. Theologie nach der Entflechtung von Christentum und Religion. QD 181, Herder, Freiburg 2000.
 

Herbert King