Erzbischof Dr. Stefan Heße

PalmzweigFoto: pixabay.com

Jesus Christus folgen – auch Ostern 2020

Der Palmsonntag ruft uns jedes Jahr auf, zusammen mit Jesus Christus nach Jerusalem einzuziehen. Damit folgen und begleiten wir Jesus in seinem Leiden, in seinem Sterben und in seiner Auferstehung.

In den vier Evangelien lesen wir von der fast unbändigen Freude des Volkes Jerusalem beim Einzug Jesu. Die Menschen stehen jubelnd am Straßenrand, begrüßen den Herrn mit wehenden Palmzweigen und breiten mit ihren Kleidern einen Teppich aus. Die Liturgie des Palmsonntags lädt uns jedes Jahr dazu ein, an der Festfreude dieses Volkes teilzuhaben und selbst etwas dazu beizutragen. Es hat schon einen bitteren Nachgeschmack, dass uns die Liturgie gleich nach dem jubelnden Einzug in die Leidensgeschichte Jesu einführt. Freud und Leid liegen halt oft sehr nah beieinander – davor schont uns auch die liturgische Feier nicht. Somit spüren wir schon am Beginn der Heiligen Woche widersprüchliche Gefühle: Da gibt es Freude und Liebe, Hass und Verrat, Sorgen und Ängste.

Jedes Jahr tauchen wir am Palmsonntag in diese Gefühlswelt ein und jedes Jahr folgen wir Jesus Christus in seine Passion. Jedes Jahr? Auch im Jahr 2020? Ja, besonders in diesem Jahr!

Das weltliche und kirchliche Leben ist durch die Corona-Pandemie fast vollständig zum Erliegen gekommen. Gewohnte Tagesabläufe sind in den Hintergrund geraten, den Alltag gibt es nicht mehr. Die minütlichen Neuigkeiten über die Verbreitung des Virus, die wirtschaftlichen Folgen und die gesellschaftlichen Gefahren können einem den Boden unter den Füßen wegziehen. Und auf das worauf wir uns einst gefreut haben, fällt aus oder ist auf unbestimmte Zeit verschoben. Dazu kommt auch, dass wir das Osterfest, das größte Fest der Christenheit, nicht in der gewohnten Weise feiern können.

Aber dennoch fallen die Kar- und Ostertage nicht aus. Die Passion Christi, sein Sterben und seine Auferstehung werden nicht gestrichen oder verlegt. Der christliche Glaube lässt sich nicht verschieben oder aufheben. Er ist gerade jetzt ganz real. Gott hat uns seine Zusage für allezeit gegeben. Er tritt auch in Krisenzeiten nicht in den Hintergrund, er zieht seine an uns gerichtete österliche Hoffnung nicht zurück. Auch an diesem außergewöhnlichen Palmsonntag sind wir aufgefordert, Jesus Christus in Jerusalem mit einer unbändigen Freude zu empfangen, ihm in seiner Leidensgeschichte zu folgen und vor allem seine Auferstehung in unser Herz zu lassen, weil sie uns stärkt und uns in jeder Situation Zuversicht und Hoffnung spendet.


Erzbischof Dr. Stefan Heße, Hamburg

 

Siehe Veröffentlichung: basis-online.net