Foto: Mirko Kussin
Das neue Jahr begann für mich sehr traurig. Nach mehr als 16 gemeinsamen Jahren musste ich meinen Kater für immer einschlafen lassen. Trotz seines recht hohen Alters kamen die Krebsdiagnose und sein körperliches Abbauen sehr plötzlich für mich und letztendlich waren es nur wenige Wochen, in denen aus einem lebenslustigen Clown auf vier Pfoten, ein schwerkrankes, leidendes Haustier wurde.
Das Wetter am Morgen des Abschieds ist grau und nebelig. Ein wenig Nieselregen. Wie seit Wochen schon. Winterwetter, von der ungemütlichen Sorte. Jeder, der schon einmal ein Haustier sterben lassen musste, wird den drückenden Stein im Magen und den Kloß im Hals kennen. Alles wird zum Abschied: das letzte Leckerchen, das letzte morgendliche Schmusen, das letzte Mal irgendeine Routine, die Jahre oder Jahrzehnte völlig unbewusst ablief und die an diesem Tag eine große Bedeutung bekommt.
Und dann sitzt du im Auto und trägst dieses Wissen in dir, das Wissen um den Tod. Du sitzt im Wartezimmer des Tierarztes und weißt es. Du gehst ins Behandlungszimmer und weißt es. Du verlierst deinen Freund und ein Stückchen von dir selbst. Und dann sitzt du wieder im Auto, fährst durchs Grau und dein geliebtes Tier ist tot. Dieses Wissen wirst du nie mehr verlieren.
Schon in den Tagen zuvor haben wir im Garten eine schöne Stelle unterm Sommerflieder ausgesucht, an der wir unseren Kater beerdigen wollen. Der Boden auf unserem Grundstück macht es einem nicht leicht. Eine dünne Schicht Mutterboden, darunter Schotter und Steine. Die Reste eines ehemaligen Tennisplatzes. Ich brauche den Bohrhammer, um das Loch im nasskalten Boden tief genug zu bekommen. Der Himmel ist grau, alles um mich herum ist grau, ich bin es auch. Im Innen. Irgendwann ist es soweit. Meine Frau und ich rauchen noch schnell eine Zigarette. Atmen durch, blicken auf das Loch, in dem gleich der Kater liegen wird. Der Abschied ist gekommen. Und plötzlich bricht zwischen den Wolken strahlend hell die Sonne durch. Seit Wochen zum ersten Mal. Ganz kurz nur, für eine Minute oder zwei. Tröstend. Wie ein Gruß, der uns sagen möchte, dass alles, alles, alles gut ist. Dass der Frühling wieder kommen wird. Dass die Sonne wieder scheinen wird. Dass das Grau niemals Bestand haben wird, wenn da Liebe ist. Und dass am Ende nicht dieses Grau stehen wird, sondern das strahlende Licht.
Das weiß ich. Jetzt.
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