Foto: Roman Kogge
Wer in Rom auf den Hügel des Aventin spaziert, kann die lange Schlange nicht übersehen, die vor dem berühmtesten Schlüsselloch der Welt steht. Geduldiges Warten, manchmal von sanften Gitarrenklängen eines Straßenmusikanten untermalt, wird irgendwann belohnt: Man blickt an der Tür von Santa Maria in Aventino auf den Petersdom und gleichzeitig auf drei Staaten: den Souveränen Malteser-Ritterorden, die Republik Italien und den Vatikan. Die Idee von Kardinal Fra‘ Benedetto Pamphilj war so kreativ wie dieser Kirchenmann selbst, der als Dichter von Oratorien, Sonetten und Kantaten nicht nur ein Gefühl für Sprache hatte. Er ließ hohe Zypressen anpflanzen, um den Blick durch das Schlüsselloch direkt auf den Petersdom zu lenken. Später ersetzte der Architekt Piranesi diese durch Lorbeerbüsche, die einen überdachten Gang aus Blättern bilden. So wird vieles ausgeblendet, um das Wichtigste besser zu sehen.
Einen solchen Blick braucht es auch in unserem Alltag. Man muss manches Nebensächliche ausblenden, um den Kopf und das Ohr und das Herz frei zu haben für das Wesentliche. Wer ständig überflutet wird von Eindrücken, der schaltet irgendwann automatisch ab. Kann nichts mehr aufnehmen. Wer zu viel sieht, wird irgendwann blind für das Besondere. Wer zu viel hört, wird irgendwann taub für das, was Gott uns zu sagen hat.
Der musisch begabte Kardinal des 17. Jahrhunderts hat auch für unsere Kirche eine Botschaft: Der Blick auf das Wesentliche verlangt Konzentration und Auswahl. Wir müssen nicht alles machen wollen. Schon gar nicht das, was andere viel besser können als wir. Aber es ist unsere Aufgabe, mit den Augen des Herzens sehen zu lernen und sehen zu lehren. Nicht das Vielwissen sättigt die Seele. Nicht das Vielsehen berührt uns zutiefst. Ein Blick für das Besondere in unserem Leben verlangt, dass wir manches ausblenden, was unwesentlich ist. Manchen Ärger, Frust, Unbehagen einfach mal aushalten und tiefer blicken. So manche Kirche übt einen Zauber aus, weil sie uns einen solchen Blick auf das Wesentliche des Glaubens schenkt. Durch ihre Atmosphäre, ihre Schönheit und nicht zuletzt auch durch ihre beredte Stille.
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