Direktor Michael Maas, Freiburg

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Alles kommt ans Licht

„Es ist aber nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird.“ (Lukas 12,2)

Diese Worte Jesu gehen mir schon seit längerer Zeit nicht aus dem Kopf. Sie lassen sich auf vieles anwenden, das wir momentan in Gesellschaft und Politik erleben. Im Zeitalter des Internets muss man – mehr noch als in früheren Zeiten – damit rechnen, dass alles auf den Tisch kommt. Auch das, was man lieber verborgen gehalten hätte. In diesem Zusammenhang wundert es mich, dass sich manche Akteure des öffentlichen Lebens so verhalten, als würde all ihr Tun nie ans Licht kommen.

Aktuell betrifft dies etwa den amerikanischen Präsidenten Donald Trump, der wohl Amtskollegen um „Hilfe“ gebeten hat, um Politiker anderer Parteien zu diskreditieren. Mindestens ein Whistleblower hat den Medien diesbezüglich Informationen durchgesteckt. Es soll noch weitere geben, die dazu bereit sind. Das Ganze geht sogar so weit, dass ihm nun ein Amtsenthebungsverfahren droht.

Ein anderes Beispiel: in Paris tötet ein Polizist vier Kollegen mit einem Messer und verletzt zwei weitere Polizisten, einen davon schwer. Erst wird von psychischen Problemen des Mannes gesprochen. Erst mit der Zeit sickert es in den Medien durch, dass das nicht der Hintergrund war und es sich bei dem Verbrechen vielmehr um eine islamistisch motivierte Gewalttat gehandelt hat, die schon lange geplant war. Es hat den Eindruck, dass die offiziellen Stellen das gerne geheim gehalten hätten. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Es ist nun aber – selbstverständlich – herausgekommen. Der Innenminister steht unter Druck.

Es betrifft auch die Kirche. Briefe, die persönlich zwischen Bischöfen und Kardinälen versandt wurden, sind an die Öffentlichkeit geraten. Es wäre einem lieber gewesen, man hätte nicht alle Details aus „streng vertraulich“ gekennzeichneten Briefen im Internet nachlesen können – aber es wurde notwendig, nachdem die ganze Sache eh schon publik war. Ob es dabei um die Frage des Eucharistieverständnisses geht oder wie aktuell um die Vorgehensweise zum synodalen Weg: Man darf sicher sein, dass früher oder später alles nach außen getragen wird.

Schnell ließen sich zahlreiche weitere Beispiele finden. Vom Ibiza-Video in Österreich bis zu Vorgängen bei der Vergabe von großen Sportwettkämpfen: Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird.

Was heißt das für uns? Auch wenn wir nicht Personen des öffentlichen Lebens sind, können wir doch alle eines mitnehmen: Es lohnt sich, wahrhaftig zu sein. So zu leben, dass all das, was wir tun, auch bekannt werden kann.

Denn, das ist die christlich-gläubige Dimension der Aussage Jesu: Auch wenn vielleicht manches den Nachbarn und Freunden im Kleinen und der Öffentlichkeit und den Medien im Großen doch verborgen bleibt, bei Gott wird alles offenbar. Wenn wir ihm einst entgegentreten, können wir alles Unangenehme nicht mehr unter den Teppich kehren.

Das ist die letzte, grundlegende Transparenz, die im Angesicht der Gegenwart Gottes eintreten wird – die durchaus auch schmerzhaft sein kann und bei der es letztlich auch eine Art der Versöhnung brauchen wird. Klassisch wird dieser Vorgang als Fegefeuer bezeichnet.

Bei aller gebotener Offenheit und Ehrlichkeit gilt allerdings: Die letzte, tiefgründige Transparenz sollte der Ewigkeit vorbehalten bleiben. Sonst besteht schnell die Gefahr, dass unser Leben hier auf Erden zu einem immerwährenden Fegefeuer wird. Denn eines ist klar: dass wir alle sündige Menschen sind und daher auch unsere eigenen Fehler an die Öffentlichkeit kommen, wenn wir in allem transparent sind. Dies sollte aber dem Beichtstuhl vorbehalten bleiben. Denn den gibt es nicht ohne Grund. Nicht jeder muss alles von mir wissen.

 

Direktor Michael Maas
Leiter des Zentrums für Berufungspastoral, Freiburg

siehe Veröffentlichung: basis-online.net