Dieser Berg wurde zum Tabor

Kunst und Kultur

Blick auf Schillers Geburtsstadt Marbach  – Foto: Douglas V. Pompeu

“Dieser Berg wurde uns zum Tabor”

Friedrich Schillers erstgeborene Schwester Christophine erzählt über eine Wanderung nach Marbach: „Einst, da wir mit der Mutter zu den lieben Großeltern gingen, nahm sie den Weg von Ludwigsburg über den Berg. Es war ein schöner Ostermontag, und die Mutter teilte uns unterwegs die Geschichte von den zwei Jüngern mit, denen sich auf ihrer Wanderung nach Emmaus Jesus zugesellt hatte. Ihre Rede und Erzählung wurde immer begeisterter, und als wir auf den Berg kamen, waren wir alle so gerührt, daß wir niederknieten und beteten. Dieser Berg wurde uns zum Tabor.“

Vom Leben Jesu so erzählen, dass andere davon ergriffen sind. So müsste es eigentlich sein. Nur so teilen wir diese Erzählungen anderen wirklich mit. Stattdessen kopieren wir sie. Teilen aus. Lassen vorlesen und unterstreichen. Und rasch wieder vergessen.  Wovon wir nicht selbst ergriffen sind, davon können wir auch nicht ergreifend erzählen. Wir analysieren und interpretieren und vergessen darüber, uns ergreifen zu lassen.

Die Bibel ist klüger. Sie erzählt auch von dem, was eigentlich nicht mitteilbar scheint. So erzählt sie von der Verklärung Jesu auf dem heiligen Berg Tabor: „Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden blendend weiß wie das Licht.“ (Mt 17,2)

Verklärung ist ein Schlüsselbegriff unseres Glaubens: Von innen heraus verwandelt werden und leuchten von Gottes Licht.  Wer glaubt, braucht vor den großen  Gefühlen nicht zu fliehen, ob  Ergriffenheit,  Schmerz, Trauer, Liebe oder Gotteserfahrung. Wo wir an den Rand dessen geführt werden, was unser  Herz aushält, ahnen wir, dass Er uns wandeln will.

Anne-Madeleine Plum