Date:04. Nov 2009

Die Päpstin – Einige Wahrnehmungen

Kunst · Theater · Literatur

Päpstin

 

Innerhalb kurzer Zeit kommen zwei Filme zum Thema ‚Frauen und Kirche‘ in die deutschen Kinos. Allein die-ses Phänomen ist bemerkenswert. Daraus jedoch das Postulat abzuleiten, die katholische Kirche möge möglichst umgehend den Ordo für die Frauen zu öffnen, scheint mir nach der Begegnung mit den Filmen verfrüht. In ‚Vision‘ wir ja von Hildegard genau das überliefert, dass sie das Weiheamt nicht anstrebt, sondern in ihrer Rolle als Vorsteherin eines Klosters und als Prophetin ein außerordentlich reiches Betätigungsfeld findet. Bei der ‚Päpstin‘ scheint die Sachlage nicht ganz so einfach. Hier wird ja bewusst die schon mehrfach widerlegte Legen-de der Päpstin Johanna aufgegriffen, um die Männerkirche zu diskreditieren und dagegen die lichte Frauenkirche zu setzen.

Ganz in diesem Sinne werden dann auch die Priestergestalten gezeichnet. Johannas Vater ist enttäuscht, eine Tochter zu bekommen. Er ist ein sadistischer Tyrann, der voller Fanatismus seiner Spezialauslegung des Paulus und der kirchlichen Überlieferung anhängt und mit großem Sadismus seine Frau vergewaltigt – zur Strafe für die Wotansgeschichte, die sie erzählt – und die Tochter zum Gebet des Vaterunsers mit dem Stock züchtigt – so stark, dass sie ihr Leben lang von den Striemen gezeichnet ist.

Der nächste Priester ist wieder ein Engstirniger, der ganz die Fortsetzung der Linie des Vaters deutet, die gro-teske Gestalt des Lehrers Odo. Er arbeitet nicht mit roher Gewalt, sondern mit subtiler Demütigung. Gleichzei-tig tritt auch die Gestalt des Bischofs von Dorstadt auf, der die vermutete Lüsternheit des ganzen Mittelalterli-chen Klerus verkörpert. Fett und Feist sitzt er an der Tafel, eine Dame auf seinem Schoß, zu Rechten und zur Linken weitere junge Damen. Immerhin setzt er sich für Johanna ein, so dass sie die Klosterschule besuchen kann, es könnte hier aber auch eine Geste der Demütigung für den Lehrer Odo vermutet werden. Auch er ist ein Feigling, der dem Drängen der Edelfrau Richilde nachgibt, die Johanna mit dem einfältigen Dorfschmied verheiraten will. Das Evangelium ist für ihn nur Mittel zum Zweck – er hält das Buch vor sich, kann aber den tödlichen Stoß, von einem wilden Normannen geführt, nicht abwenden.

Der Abt des Klosters Fulda, an den Johanna dann gelangt, ist wiederum ein herrschsüchtiger Tyrann. Die Frei-heit der ihm Anvertrauten achtet er gering, züchtigt sie vielmehr mit Schlägen, um den Gehorsam wiederherzu-stellen.

In Rom trifft Johanna auf den übergewichtigen und verfressenen Papst Sergius, den sie heilen kann. Dadurch macht sie sich den Nomenklator und Bischof Anastasius zum Feind, der, angesichts des kranken Papstes, freie Hand für sein Machtstreben zu haben glaubte. Auch er eine außerordentlich fragwürdige Priestergestalt.

Die Menge der unwürdigen und unfähigen Priestergestalten überrascht. Es stellt sich mir die Frage, wie weit das Ansehen des katholischen Priestertums schon gesunken ist, wenn man diese Gestalten sieht – und den Film als Ausdruck einer aktuellen Stimmung deutet.

Die wenigen, im Sinne des Filmes, überzeugenden Priestergestalten wiegen dieses düstere Szenario nicht auf. Johanna hingegen ist der Inbegriff der Aufklärung. Sie nimmt die heidnischen Anteile genau so in sich auf wie die christlichen Lehren. Sie ist wie ein Lichtstrahl in der Welt des finsteren Mittelalters. Ihre Verfehlungen sind sexueller Natur, was im allgemeinen Mainstream nicht als Verfehlung erachtet wird, zumal der priesterliche Zö-libat ohnehin unmenschlich ist.

Das Publikum am Samstagabend im Kino war aus der Generation über 50, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Vielleicht kann man dieses Phänomen auch als ein Ausdruck des Protestes deuten, der sich, obwohl bürgerlich abgeschwächt, auf diese Weise zum Ausdruck bringt.

In mir ist die Frage übrig geblieben, wie denn aktuell katholisches Priestertum in der Öffentlichkeit wahrge-nommen wird. Kann es sein, dass Heilige erwartet werden und dann das Erstaunen groß ist, dass hier Menschen angetroffen werden? Vielleicht ist das Jahr der Priester ein Geschenk der kritischen Selbstreflexion, das Bild betreffend, das angestrebt und vermittelt wird.

Der Film ‚Die Päpstin‘ scheint mir eine wichtige Zeitenstimme – ein Spiegel, der der aktuellen Kirche und den Priestern vorgehalten wird. Leichtfertig wäre es, die widerlegte Legende als ausreichenden Grund zu nehmen, um dem Film jegliche Bedeutung abzusprechen.

 

Peter Lauer