Trump, von Teuffenbach und ein Buch
Gedanken über die (un-)heimliche Macht des inneren Kindes
Da kommen in den letzten Wochen drei Dinge für mich zusammen, die auf den ersten Blick überhaupt nichts miteinander zu tun haben:
>> Im Internet wird eine Biographie über den amerikanischen Präsidenten Donald Trump angekündigt, geschrieben von seiner Nichte Mary Trump, einer promovierten Psychologin: „Too Much and Never Enough: How My Family Created the World‘s Most Dangerous Man“ – auf Deutsch: „Zu viel und nie genug: Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf“. In diesem inzwischen in Amerika erschienenen und bereits mehrere Millionen mal verkauften Buch beschreibt sie ausführlich die Kindheits- und Familiengeschichte Donald Trumps und kennzeichnet ihn als „verlogenen und kaltherzigen Narzissten“.
>> Die italienische Theologin und Historikerin Alexandra von Teuffenbach tritt mit einem Artikel „Ein Vater darf das“ in der „Tagespost“ und auf katholisch.de eine heftige Diskussion um die Person Pater Josef Kentenichs los, in dem sie diesem Machtmissbrauch und sexuellen Missbrauch unterstellt.
>> Ich gehe dem Buchtipp eines guten Bekannten nach und lese das Buch „Das Kind in dir muss Heimat finden“ von Stefanie Stahl.
Nun also die Frage: Was haben Trump, von Teuffenbach und besagtes Buch miteinander zu tun?
Um es vorneweg zu sagen: Ich finde die lücken- und schonungslose, möglichst objektive Aufarbeitung der von von Teuffenbach aufgeworfenen Fragen dringend notwendig gemäß einem Motto von Friedrich Nietzsche „Unausgesprochene Wahrheiten werden giftig“. (Was hier jedoch in erster Linie in Richtung Fragwürdigkeit der Von Teuffenbachschen „Konstruktionen“ gemeint ist). Und meine Zeilen möchte ich nicht, was man mir als engagiertem Mitglied der Schönstatt-Bewegung leicht vorhalten könnte, verstanden wissen als Handeln unter dem Leitsatz „Angriff ist die beste Verteidigung“.
Mich treibt zunehmend folgender Gedanke um: Was steckt hinter der Initiative von Alexandra von Teuffenbachs? Historische Neugier? Der Reiz, echten oder vermeintlichen „Geheimdokumenten“ auf die Spur zu kommen? Die Hoffnung, Bekanntheit zu erlangen? Die möglicherweise berechtigte Versuchung, einer integer erscheinenden kirchlichen Bewegung Schwachstellen aufzuzeigen? – Ihr durchaus aggressiver und zum Teil bewusst tendenzieller Stil, ihre an mehreren Stellen deutlich zu Tage tretenden Wissenslücken (über die Geschichte und Spiritualität der Schönstatt-Bewegung, über die Entstehung und den Verlauf der kirchlichen Visitationen, über die Person und Rolle von SJ Sebastian Tromp, die „Arbeitsweise“ des Heiligen Offiziums, die Frage der kirchlichen Rehabilitation u.a.m.) führen mich zum entscheidenden Punkt: Was ist der Autorin tiefstes „erkenntnisleitendes Interesse“? Woher diese „Lust am Zerstören einer Vater-Figur“?
Der Hinweis, dass sie den „Legionären Christi“ angehört, dessen Gründer Marcial Maciel sexueller Missbrauch in zahlreichen Fällen und die Existenz einer Reihe unehelicher Kinder nachgewiesen werden konnte, könnte zwar eine mögliche Parallele zum Gründer der Schönstatt-Bewegung nahe legen, greift nach meiner Ansicht jedoch zu kurz. Ebenso reicht es aus meiner Sicht nicht aus, das Ganze zu erklären mit einer nachvollziehbaren und durchaus berechtigten Kritik an der auf weite Strecken irrationalen „Verherrlichung“ von „Vater-Figuren“ aus dem politischen (Trump, Bolzenaro, Putin etc.) oder kirchlichen Bereich (wie z.B. bei Marcial Maciel durch die „Legionäre Christi“). Zudem möchte ich mich nicht in von-teuffenbachsches Fahrwasser als ausgebildete Exorzistin begeben und über teuflische Einflüsse spekulieren.
Den Schlüssel liefert für mich das Buch von Stefanie Stahl mit ihren Gedanken zum „inneren Kind“ („Das Kind in dir muss Heimat finden“). Um es ohne große und umfassende Erläuterung konkret zu machen: Wieso tritt Donald Trump so auf wie er auftritt? Wieso muss er immer im Mittelpunkt stehen? Wieso sucht er beständig Aufmerksamkeit? Wieso attackiert er aggressiv und herabwürdigend echte oder vermeintliche „Gegner“? Wieso lügt er ohne Ende und findet nichts dabei? Meine Erklärung: Hier hat das „innere Kind“, insbesondere das Schattenkind, die Herrschaft im „Hause Trump“ übernommen. Der kleine, schwache, hilflose, ängstliche, liebebedürftige Donald schreit nach Zuneigung, Wärme und Aufmerksamkeit – die er offensichtlich in seinen Kindertagen nicht oder viel zu wenig erfahren hat. Und er merkt es nicht oder will es nicht wahrhaben oder verdrängt es. So läuft er als „erwachsen scheinende Fassade“ durch die Welt. Hätte das nicht so schlimme Folgen, politisch, gesellschaftlich, sozial – man könnte ihn aufrichtig bedauern.
Was Alexandra von Teuffenbach betrifft, wäre es sehr wichtig, einige biographische Dinge zu erfahren – über ihre Familie, ihre Erziehung, über ihre Beziehung zu ihren Eltern, insbesondere zu ihrem Vater. Im Internet sind zwar einige Informationen zu ihrem beruflichen Werdegang zugänglich – bzgl. Kindheit und Erziehung herrscht jedoch eine bedauerliche Leerstelle. Meine, vielleicht sehr gewagte, Vermutung lautet: Ihr Kampf gegen die Vater-Figur Pater Josef Kentenich ist ursächlich ein Kampf mit ihren ganz persönlichen, wahrscheinlich negativen und belastenden, Vater-Erfahrungen.
Und damit würde sie seltsamer Weise eines der Hauptanliegen Pater Josef Kentenichs ins Blickfeld rücken:
Über den Weg positiver, wertschätzender, liebevoller Erfahrungen mit „menschlichen“ Vätern ein positives und aufbauendes Gottesbild zu erhalten – nicht theoretisch, sondern durch tiefes seelisches Erleben und Erfahren. So könnte die (un-)heimliche Macht des inneren Kindes „aufgehoben“ und seelisches Wachstum möglich werden – für alle, nicht nur für Donald Trump und Alexandra von Teuffenbach. Das wäre ein wahr-haftiger Segen!
Wilfried Röhrig 07/2020