Der Tag, an dem der neue Papst geboren wurde

Zeichen der Zeit

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Bild: Rita Kroetz

Der Tag, an dem der neue Papst geboren wurde

Ein Papst fällt bekanntlich nicht plötzlich vom Himmel und landet sanft auf der Erde. Auch wird er nicht vom Storch gebracht und auf dem Petersplatz abgelegt. Das wissen wir als Erwachsene – und gläubige Katholiken sind mit den über Jahrhunderte verfeinerten Ritualen des Konklaves vertraut, das schließlich in der Wahl eines neuen Papstes mündet.

In den Medien war zu hören, dass dieses Konklave weltweit besonders viele Menschen in seinen Bann zog – vor die Bildschirme und auf den Petersplatz. Voller Spannung und Erwartung: Wer wird es sein? Wird uns die Wahl überraschen?

Auch ich gehörte zu denen, die diesen besonderen Moment nicht verpassen wollten.
Nach einem langen Arbeitstag schalte ich bereits auf der Heimfahrt mein Handy ein. Ich gebe zu: In mir mischen sich Hoffnung und Sorge. Hoffentlich hat der neue Papst eine warme, menschliche Ausstrahlung. Hoffentlich ist es jemand, den ich auf Anhieb annehmen kann – so, wie er ist. Nach Franziskus – wird unsere Kirche hoffentlich nicht wieder rückwärtsgehen? Ich sehne mich nach einem guten Gefühl bei der Verkündung des Wahlergebnisses. Vielleicht ist diese Erwartung vergleichbar mit der Anspannung vor der Ziehung der Lottozahlen – nur ungleich bedeutsamer.

Während der Fahrt erreichen mich Nachrichten von Freunden – Hinweise, dass es bald spannend wird. Besonders freut mich ein Foto von Helena (3 Jahre) und David (1 Jahr), die heute ausnahmsweise fernsehen dürfen. Helena verfolgt das Geschehen aufmerksam. Sie zeigt auf den Bildschirm und fragt, warum „da nur Männer mit großen Kreuzen“ zu sehen sind – gemeint sind die rot gekleideten Herren auf der Loggia. Und so eine große, begeisterte Menschenmenge auf einem riesigen Platz hat sie noch nie erlebt. Eine Komposition entsteht zwischen den unzähligen erwartungsvollen Menschen auf dem Platz – und darüber der leere Balkon, auf den sich alle Blicke richten. Diese besondere Atmosphäre voller Spannung spürt sie offensichtlich. Ich stelle mir vor, wie Helenas Mutter ihr erklärt, was dort gerade passiert – kindgerecht, mit einfachen Worten.

Ein paar Tage später, ein beiläufiges Gespräch zwischen Helenas Mutter und einer Freundin:
„An welchem Tag warst du eigentlich zum Musikkreis mit David?“ fragt die Freundin.
Noch bevor die Mutter antworten kann, ruft Helena dazwischen:
„Das war an dem Tag, an dem der neue Papst geboren wurde.“

Stille. Die Mutter und ihre Freundin schauen sich überrascht an. Ein kurzer Moment des Staunens. Niemand korrigiert das Kind – es wäre nicht passend.

Stattdessen bleibt die Frage:
Wie kommt dieses kleine Mädchen dazu, dieses Ereignis als Geburt zu begreifen?

Ich denke: Es gibt viele gute Gründe.

Da ist die Zeit der freudigen Erwartung, spürbar auf dem Petersplatz.
Da ist das Geheimnisvolle – lange weiß niemand, was sich im Innern abspielt.
Da ist die Überraschung: Wer wird es sein, wie wird er aussehen?
Der Zeitpunkt der „Geburt“ lässt sich nur vage abschätzen – und oft kommt sie früher als gedacht.

Ist es nicht auch ein Prozess des Reifens, des inneren Wachsens, der einer Papstwahl vorausgeht?
Wir wissen inzwischen, dass die Berufung von Papst Leo viele Jahre gereift ist – in einer gläubigen Familie, in einer Kirche, die ihn von klein auf angezogen hat.

Und dann kommt der Moment der „Geburt“:
Die Spannung auf dem Petersplatz entlädt sich. Der neue Papst tritt auf die Loggia. Jubel bricht los. Das Geheimnis ist gelüftet. Nun kann jeder ihm ins Gesicht sehen.

Helena lässt die spontane Bemerkung fallen, der Papst sehe aus wie ihr Opa.
Typisch für eine Geburt – oder etwa nicht?

Rita Kroetz, Mai 2025