Gottes Schöpfung

Mit diesem liturgischen Konzept beginnt ein thematischer Durchgang durch das Alte Testament. Die Lesungen geben zentrale Themen eines biblischen Buches aus der hebräischen Bibel vor und entfalten die jeweilige Thematik in den entsprechenden neutestamentlichen Texten, in Liedern und geistlichen Lesungen. Dieser große Bogen beginnt mit der Erschaffung des Menschen durch Gottes lebensspendenden Geist.


Du bist mein Atem

– Erdenstaub und Gottesatem

Teppich von Gerona zur Genesis, (Detail) 11. Jahrhundert Museo de la Catedral. Girona, Barcelona, Stickerei (4,15 x 3,65 m)

Zum Bild: Das „Rad“ des Bildes lässt sich von innen nach außen und von außen nach innen lesen: Von Gott dem Schöpfer kommt alles, auf Ihn zielt alles. Auf dem innersten Schriftband, das Christus umschließt, steht (lateinisch): „Und Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht“ (Gen 1,3). Christus, Gottes Wort und Licht der Welt (Joh 1,9; 8,12)hat die Rechte segnend und richtend erhoben. Das Buch in der Linken trägt die Aufschrift „Heiliger Gott“. Im äußeren Kreis wird der Schöpfungshymnus von Genesis 1,1- 2,4 bildlich umgesetzt. Die obere Hälfte des Kreises zeigt die Erschaffung der kosmischen Räume, die untere Hälfte die Erschaffung der Lebewesen. Die lateinische Umschrift des äußeren Kreises lautet: Im Anfang hat Gott Himmel und Erde geschaffen (Gen 1,1), und das Meer und alles, was darin ist (Ps 146,6), und Gott sah, dass alles, was er gemacht hatte, sehr gut war (Gen 1,31). Die acht Teilfelder sind im Uhrzeigersinn, beginnend links oben mit IN PRINCIPIO, zu lesen: 1. Die Erde war wüst und leer, 2. Finsternis (im Bild eines Engelwesens) über der Urflut, 3. Gottes Geist über dem Wasser (Tauben-Symbol), 4. Erschaffung des Lichts (im Symbol eines Engelwesens), 5. das Firmament zwischen den Wassern und die Himmelslichter, 6. Erschaffung der Landtiere und des Menschen, 7. Erschaffung von Vögeln und Fischen, 8. Erschaffung Evas aus der Seite Adams und Sündenfall.

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Alttestamentliche Lesung:

Genesis 2, 4-8

Das ist die Entstehungsgeschichte von Himmel und Erde, als sie erschaffen wurden. Zur Zeit, als Gott, der Herr, Erde und Himmel machte, gab es auf der Erde noch keine Feldsträucher und wuchsen noch keine Feldpflanzen; denn Gott, der Herr, hatte es auf die Erde noch nicht regnen lassen und es gab noch keinen Menschen, der den Ackerboden bestellte; aber Feuchtigkeit stieg aus der Erde auf und tränkte die ganze Fläche des Ackerbodens. Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen. Dann legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten an und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte.

Kehrvers: Dein Atem gibt Leben, dein Geist schafft uns neu. (Psalm 104,29.30) Psalm 104,1-4.24.29-34 Lobe den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, wie groß bist du! Du bist mit Hoheit und Pracht bekleidet. Du hüllst dich in Licht wie in ein Kleid, du spannst den Himmel aus wie ein Zelt. Du verankerst die Balken deiner Wohnung im Wasser. Du nimmst dir die Wolken zum Wagen, du fährst einher auf den Flügeln des Sturmes. Du machst dir die Winde zu Boten und lodernde Feuer zu deinen Dienern. Herr, wie zahlreich sind deine Werke! Mit Weisheit hast du sie alle gemacht, die Erde ist voll von deinen Geschöpfen. Verbirgst du dein Gesicht, sind sie verstört; nimmst du ihnen den Atem, so schwinden sie hin und kehren zurück zum Staub der Erde. Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen und du erneuerst das Antlitz der Erde. Ewig währe die Herrlichkeit des Herrn; der Herr freue sich seiner Werke. Er blickt auf die Erde und sie erbebt; er rührt die Berge an und sie rauchen. Ich will dem Herrn singen, solange ich lebe, will meinem Gott spielen, solange ich da bin. Möge ihm mein Dichten gefallen. Ich will mich freuen am Herrn.


Neutestamentliche Lesung:

Apostelgeschichte 17,22-28

Da stellte sich Paulus in die Mitte des Areopags und sagte: Athener, nach allem, was ich sehe, seid ihr besonders fromme Menschen. Denn als ich umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit der Aufschrift: EINEM UNBEKANNTEN GOTT. Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch. Gott, der die Welt erschaffen hat und alles in ihr, er, der Herr über Himmel und Erde, wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand gemacht sind. Er lässt sich auch nicht von Menschen bedienen, als brauche er etwas: er, der allen das Leben, den Atem und alles gibt. Er hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen, damit es die ganze Erde bewohne. Er hat für sie bestimmte Zeiten und die Grenzen ihrer Wohnsitze festgesetzt. Sie sollten Gott suchen, ob sie ihn ertasten und finden könnten; denn keinem von uns ist er fern. Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir, wie auch einige von euren Dichtern gesagt haben: Wir sind von seiner Art.

Ruf vor dem Evangelium

1. Kor 15,45

Du bist der neue Adam, Christus, lebendiges Wesen, mehr noch, lebensspendender Geist.

Evangelium

Johannes 20, 19-22 Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!


Lied: Der Chaos schuf zu Menschenland (“Schriftlied”)

Der Chaos schuf zu Menschenland,
Der Menschen hier zusammenband,
Er schrieb sein Wort, gegeben
zum Schutz für unser Leben.
Er schrieb uns frei mit eigner Hand.

Schrift, die Menschenursprung schreibt.
Wort, das treu bleibt.
Das Buch, das jeden Namen nennt,
Gesichter, Seelen, Menschen kennt,
die Liebe so lebendig,
die Liebe so vergänglich,
die Wehn, die nie zu Ende gehen.

Schrift, die Menschentage schreibt.
Licht, das hell bleibt.

Sein unvergänglich Testament:
Daß er uns auch im Tod noch kennt –
die Tage, die wir leben,
auf Tod hin festgeschrieben,
zum ewig Leben hingelenkt.

Schrift, die Menschenzukunft schreibt.
Er, der treu bleibt.

T: Huub Oosterhuis, Ü: Frans Doevelaar,

in: Hansjakob Becker, Geistliches Wunderhorn, München 2001, S. 492.
Vgl. auch Gotteslob Mainz, Nr. 712/5, 1-3

Literaturempfehlung: F. W. Niehl, Adam und Eva und der Garten der Wonne, in: Heinrich Schmidinger (Hrsg.), Die Bibel in der deutschprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts, Mainz 1999, Bd. 2 Personen und Figuren, S. 53-63.    

Geistlicher Text: Wilhelm von Saint-Thierry

Der aus Lüttich stammende Mönch und mystische Schriftsteller Wilhelm von Saint-Thierry (1080/85-1148), selig gesprochener Benediktinerabt von Saint-Thierry bei Reims, war befreundet mit Bernhard von Clairvaux und wurde elf Jahre vor seinem Tod Zisterzienser. Ihn beschäftigte insbesondere der Zusammenhang von Glauben und Erkenntnis. So fordert er den Menschen auf: „O Bild Gottes, erkenne deine Würde, laß in dir das Bild deines Schöpfers aufleuchten. Du bist dir selbst minderwertig, doch du bist ein kostbares Ding. In dem Maß du von ihm abgefallen bist, dessen Bild du bist, in dem Maß bist du von fremden Bildern erfüllt. Wenn du jedoch in dem Geist, in dem du geschaffen worden bist, zu atmen beginnst, wenn du die Zucht fest ergreifst (Psalm 2,12), wirst du die Trugbilder, die nicht lange bleiben, rasch ablegen, rasch wirst du ihnen entfliehen. Sei also ganz bei dir und gibt dir Mühe, dich zu erkennen und zu erkennen, wessen Bild du bist, um zu unterscheiden und zu verstehen, was du bist, was du vermagst in Ihm, dessen Bild du bist.“ Gottes Schöpferatem und der von Christus verheißene Heilige Geist sind, ganz im Sinn des Kehrverses aus Psalm 104, nicht zwei Wirklichkeiten. Vielmehr ist der Geist, der uns Menschen Leben einhaucht, für Wilhelm von Saint-Thierry zugleich der Geist, ohne dessen lebendiges Wehen der Mensch nichts vermag, ohne den im Menschen nichts bestehen, nichts heil sein kann. Zitat aus: Wilhelm von Saint-Thierry, Meditative Gebete, 6,8. Zisterzienserinnen-Abtei, Eschenbach, CH 1993, S. 52. Vgl. auch Elisabeth Hense (Hrsg.), Im Spiegel der Seele. Die Quellen der Mystik, Freiburg 1997, S. 28.

Zusammenstellung: Hans-Jakob Becker / Anne-Madeleine Plum Dieser Gottesdienst:  2 Pen A in Patmos Vgl. dazu ausführlich: Hansjakob Becker, „Dies große Wort, geschrieben weiß auf schwarz“. Patmos: Begegnungen mit der Bibel im Kontext von Kultur- , in: Pietas Liturgica 16, Tübingen 2015.

Liste der Wort-Gottes-Feiern “Patmos”

Informationen zur Gottesdienst-Reihe “Patmos”