Date:18. Jan 2012

Bundespräsident Wulff und kein Ende

Zeichen der Zeit

Palmen - Hubertus Brantzen

Oft beschnittene Palmen sind am Ende die höchsten und überragen alles.
Foto: H. Brantzen

“Jahresthema: Jede Großdedatte um Politiker-Affären von Guttenberg bis Wulff zeigt: Wir sehnen uns nach Vorbildern und moralischen Instanzen, aber noch lieber demontieren wir sie.” So: Christian Florin in: Christ & Welt vom 29. Dezember 2011.

Ja, die Sehnsucht nach Vorbildern. Ihnen glauben können. An ihrem Privat-Leben auch teilnehmen können. Und sehen, dass es auch dort stimmt. Der Verdacht: Das, was sie machen, ist ja alles nur Politik und Professionalität. Gefordert ist Fehlerlosigkeit, Aufrichtigkeit, aber so, dass sie nicht verletzt. Dabei wäre es tatsächlich leichter für die Bürger, wenn gerade auch Politiker etwas freundlicher, ja höflicher, miteinander umgehen würden. Das Gesagte gilt für Politiker. Es gilt vor allem auch bei kirchlichen Autoritäten: Priestern, Bischöfen, Hauptamtlichen insgesamt, auch bei Ehrenamtlichen. Und auch und gerade beim Papst. Der darf erst recht keine Fehler machen. Alle werden entsprechend duchleuchtet. Sicher ein gesellschaftlicher Projektionsvorgang.
Dabei ist man, trotz des eben Gesagten, im Grunde sehr, sehr tolerant. Viele, eigentlich sehr wichtige, Gebiete sind von möglicher öffentlicher Kritik – Gott sei Dank- da von vorneherein ausgenommen: Ehe, Wiederverheiratung, Familie, religiöses Leben. Es sind bestimmte Haltungen, die in erster Linie gefordert sind: Transparenz, Lauterkeit, von sich absehender Dienst am Gemeinwesen, sich nicht selbst Vorteile verschaffen, sich an die Gesetze halten, an die sich jeder halten muss.

Und doch: So schwierig ist es eigentlich gar nicht. Was man zutiefst von Amtsträgern fordert und zur Grundlage des Vertrauens macht, ist die Fähigkeit, zu Fehlern zu stehen und sie zuzugeben und sich verzeihen zu lassen. “Christian Wulff ist zwar katholisch, doch wahrhaft Buße tun will er nicht. Dabei hätte er mit der Bitte um Vergebung viel zu gewinnen. Was die Politik vom Sakrament der Beichte lernen kann.” So Wolfgang Thielmann in: Christ & Welt vom 12. Januar 2012. Es wird eigentlich viel und leicht verziehen. Nicht verziehen wird, Fehler nicht anzuerkennen, sie nicht öffentlich zu bereuen und “beim Volk” um Verzeihung zu bitten. Nicht der Amtsverzicht wird erwartet. Da hat – bei aller Größe dieser Frau – die Bischöfin Margot Käsmann in meinen Augen damals falsch gehandelt. Sie hätte im Amt bleiben müssen und entsprechend bekennen und um Verzeihung bitten sollen und vor allem – dies alles hat sie ja getan – es zulassen, losgegesprochen zu werden, ja, gut theologisch und doch auch gleichzeitig menschlich, sich be-gnadigen zu lassen, be-gnaden zu lassen. Und dann demütiger, bescheidener, geläuterter weitermachen.

Die öffentliche Meinung hat dann den Rücktritt als ehrlicher, moralisch größer und richtiger angesehen. Ein moralischer Rigorismus kann leicht umschlagen in moralischen Nihilismus. Immer mehr Gebiete, auf denen man versagt, werden als moralisch unrelevant von der Liste der moralischen Verpflichtungen gestrichen. Weil sich vergeben lassen dann doch zu demütigend ist.

 

Herbert King