Bischof Wolfgang Ipolt – Görlitz

 


Görlitz Stadtbrücke Johannes Paul II., Neiße-Grenzbrücke Foto: wikimedia-commons

Wenn Brücken zerbrechen

22.08.2018

Bis heute ist es eine architektonische Meisterleistung, eine Brücke über einen breiten Fluss oder über ein Tal zu konstruieren und zu bauen. Wie viele wunderschöne alte Brücken können wir in unseren Städten bewundern – Zeugnisse dafür, dass Menschen immer Wege gesucht und gefunden haben, Gräben zu „über-brücken“. Im Normalfall betreten oder befahren wir Brücken ohne Angst und vertrauen ihnen.

Umso erschreckender war das Unglück von Genua: – viele Menschen finden in ihren Fahrzeugen in wenigen Augenblicken den Tod.  Ich musste bei den Bildern im Fernsehen sofort an eine Bitte denken, die früher oft gebetet wurde: „Vor einem plötzlichen Tod – bewahre uns, o Herr!“ Leider ist sie heute nicht mehr in der Allerheiligenlitanei zu finden. Die Gründe für den Einsturz dieser wichtigen Brücke werden untersucht werden müssen. Es wird Schadenersatzklagen geben und vieles andere, was zu den Folgen eines solchen Unglücks gehört. Ein Bauwerk hat eben nur eine begrenzte Haltbarkeit – das ist deutlich geworden. Und es braucht Pflege und regelmäßige Kontrollen seiner Stabilität und Haltbarkeit.

Ich frage mich: Kann Gott uns etwas sagen oder zeigen – auch durch ein solches tragisches Unglück? Brücken verbinden, schaffen Beziehungen. Wo sie zerbrechen oder bewusst abgerissen werden, entstehen Gräben – zwischen einzelnen Menschen, aber auch zwischen Völkern. Abgebrochene Brücken sind Lebensunterbrechung. Ich lebe in einer Stadt mit Brücken. In der Stadt Görlitz war die Stadtbrücke über die Neiße viele Jahrzehnte eine sichere Grenze zwischen Deutschland und Polen. Nach 1981 war sie auch für die früheren DDR-Bürger gänzlich geschlossen. Heute spürt man kaum noch etwas von dieser Grenze. Die beiden Teile unserer Stadt benutzen diese Brücke, und sie hilft beim  Zusammenwachsen der Bevölkerung und damit unserer beiden Völker. Es ist ein schönes Zeichen, dass diese Brücke heute den Namen des hl. Johannes Paul II. trägt. Er war Pontifex – Brückenbauer – als Papst insbesondere zwischen Ost und West.

So wie das Bauwerk Brücke brauchen auch die Brücken, Beziehungen und Kontakte zwischen Menschen und Völkern sorgsame Pflege und Wartung. Das kann manchmal schwieriger sein, als bei einem Bauwerk. Aber es lohnt sich – um des Lebens willen. Ein Lied, das wir als Jugendliche gern gesungen haben, begann so: „Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen, gib mir den Mut zum ersten Schritt. Lass mich auf deine Brücken trauen, und wenn ich gehe, geh du mit.“

Bischof Wolfgang Ipolt, Görlitz

siehe Veröffentlichung: basis-online.net