Bischof Reinhold Nann, Peru

 Mensch umarmt eine Weltkugel voller BilderFoto: pixabay.com

Zuhören

Morgen ist Fronleichnam. In Peru ist dieses Fest unter seinem lateinischen Namen “Corpus Cristi” bekannt: der Leib Christi. Es wird erst am Sonntag gefeiert. Dieses Jahr können in Perú aus doppeltem Grund keine Prozessionen stattfinden: Wegen der Coronapandemie und weil just an diesen Sonntag der Präsident im zweiten Wahlgang gewählt wird. Da bekommt das Fest plötzlich neue Sinnhorizonte:
Die vielen Leibe der Corona-Toten schreien zum Himmel: Herr, warum war unser Gesundheitssystem so unfähig, das Leben zu schützen? Herr schenke uns den Mut, das Leben jedes Menschen und besonders der Armen in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen!

Die Stichwahl hat es in sich: Ein evangelikaler Sozialist (oder doch verkappter Kommunist?) gegen die Tochter des früheren Diktators Fujimori: Wer steht da eigentlich für Freiheit und Demokratie? Und die Bevölkerung dreigeteilt: Je ein Drittel für einen der Kandidaten und ein weiteres Drittel gegen beide. Hasserfüllte Kommentare und Freundschaften, die zerbrechen wegen dieser Politik, der Riss geht mitten durch die Kirche. Wo ist der Leib Christi, die Comunio, die Einheit? Selbst der erste Schritt, das Aufeinander-Hören ist fast unmöglich geworden. Hoffentlich ist die Wahl bald vorüber.

Wie geht Einheit, Kommunion in der Kirche angesichts so vieler Spaltungen? Die Konservativen in der spanischsprechenden Welt sehen den deutschen synodalen Weg nur als rotes Tuch: Da wird eine Kirchenspaltung vorbereitet, so wie zu Luthers Zeiten. Diese rigoristischen Gruppen weigern sich genau hinzuhören, was da eigentlich vorgeht. Tja, vielleicht hören auch die Progressiven nur auf einem Ohr.

Kommunion braucht Hinhören, braucht echten Dialog, braucht Offenheit für das Wirken des Heiligen Geistes. Der synodale Weg in Deutschland steht übrigens gar nicht so alleine. Da ist zunächst nach der Amazonassynode die “Kirchliche Versammlung der Amazonaskirchen” gegründet worden, ganz bewusst nicht als Bischöfliche Versammlung, um Laien mit einbeziehen zu können. Da hat Anfang dieses Jahres die “Kirchliche Versammlung Lateinamerikas” begonnen (wieder ganz bewusst nicht Bischöfliche Versammlung) und zwar mit einem mehrmonatigen Prozess des Zuhörens. Dazu kommt nun die Welt-Synode, die sich über drei Jahre hinziehen wird, fast so etwas wie ein Konzil.

Als Bischof kann ich nur sagen, dass von mir viel Zuhören abverlangt wird. Und das ist doch schon einmal ein guter Schritt. Ich kann verstehen, dass es in Deutschland vielen zu langsam geht. Aber es kommt doch auch langsam weltkirchlich etwas in Bewegung. Es wird nicht leicht sein, alle ernst zu nehmen und gleichzeitig die Einheit zu bewahren. Aber für Gott ist nichts unmöglich.

Bischof Reinhold Nann, Caravelli / Peru

siehe Veröffentlichung: basis-online.net