Bischof Reinhold Nann, Peru

Rettungsring auf dem WasserFoto: pixabay.com

Verschwörungstheorien oder Glaube an den Gott des Lebens

Donald Trump posaunt es seit langem in alle Welt: Die Chinesen sind schuld. Ob er nicht doch nur seine eigene Untätigkeit und Fehleinschätzungen kaschieren will? Auffälliger Weise leisten ihm evangelikale Pfingstkirchen und nun auch ein paar katholische Kardinäle und Gruppen Schützenhilfe: Da ist eine neue Weltordnung im Anmarsch, die den Dollar abschaffen will (wie gruselig) und überhaupt mit der „Bestie” von Apokalypse 13 zu identifizieren ist. Jede Veränderung in der Welt ist als teuflisch anzusehen – hier treffen sich die Überzeugungen der politischen und kirchlichen Ultrarechten exakt. Und ein Feindbild aufzubauen schürt Ängste, was wiederum Manipulation und Kontrolle ermöglicht. So funktionieren Diktaturen – und Sekten.

Mit Josef Kentenich, dem Gründer der Schönstattbewegung, sehe ich Veränderungen gelassener ins Auge. Er hat den Aufstieg und den Untergang des “Dritten Reiches” miterlebt und war überzeugt, dass wir an einer noch viel grundsätzlicheren Zeitenwende stehen. Ja mit dem Virus geht gerade etwas unter und wird auch etwas Neues entstehen, dessen Konturlinien bisher nur unscharf zu sehen sind.

Wenn hier jemand die Drähte zieht in dieser Krise, dann sind das nicht die Juden, die Chinesen, Bill Gates oder sonstige „Bösewichte”, sondern Gott. Das ist die gläubige Überzeugung des Buchs der Apokalypse. Alle menschlichen Bestien, die da zwischenzeitlich die Welt bewegen, werden am Ende besiegt. Wir sollten vor ihnen keine Angst haben, denn am Ende siegt doch Gott. Der Virus mag so eine Bestie sein. Er könnte eine Rache der Natur sein oder aus einem Labor entflitzt. Seine Zeit ist aber irgendwann abgelaufen.

Und warum tut Gott unterdessen nichts gegen den Virus? Er ist doch ständig am Tun. Er leidet mit den Erkrankten. Er forscht mit den Wissenschaftlern und betreut mit dem medizinischen Personal. Er tut etwas in uns und mit uns – seinen Werkzeugen.

Und was tut die Kirche? Hier in Peru können seit 2 Monaten keine öffentlichen Gottesdienste mehr stattfinden, aber Facebook macht‘s möglich: Hunderte von Kommentaren in Online-Gottesdiensten, durchweg Gebetsbitten oder Danksagungen. So aktiv waren die Gläubigen noch nie beteiligt. Die neue Kathedrale heißt Caritas: Sie hilft mit Nahrungsmittelpaketen denen, die in der Quarantäne die Ersparnisse und das tägliche Brot verloren haben. Kirche als Feldlazarett. Der Mensch steht im Mittelpunkt, nicht der Gewinn. Ob das die neue Weltordnung werden wird? Stehen da nicht schon wieder die Kommunisten dahinter?

Bischof Reinhold Nann, Caravelli / Peru

siehe Veröffentlichung: basis-online.net