Date:11. Sep 2013

Bettler in unseren Straßen

Zeichen der Zeit

Stopp-Schild - Foto: Marie-Luise Langwald

Foto: Rolf Handke – pixelio.de

Haste mal `nen Euro?
oder
Einer trage des anderen Last

Jeder kennt diese Situation? … überfüllte Shoppingcenter… mit Einkauftüten bepackte und vorbeihastende Menschen … das Bild einer Konsumgesellschaft.

…und plötzlich ein Bettler, der still die Hand aufhält oder sogar aggressiv nach einer Spende fragt. Wie mit dieser Situation umgehen? Sind Bettler nicht irgendwie unbequem und unangenehm, eine Herausforderung und Provokation? Viele Gedanken geistern durch den Kopf. Einer Stellungnahme kann man sich nur schwerlich entziehen. Soll ich nun etwas geben oder einfach ignorant weitergehen? Was könnte mein Begleiter wohl von mir denken, wenn ich als Christ nicht wenigstens ein paar Münzen in den am Boden liegenden Hut werfe? Heißt es nicht: Einer trage des anderen Last? Was ist, wenn meine Münzen später für Alkohol oder gar Drogen ausgegeben werden? Unterstütze ich nicht womöglich eine Bettelbande? Sind wir nicht alle durch das Recht auf Sozialhilfe abgesichert? Verhindert meine Spende nicht jegliche Eigeninitiative des Bettlers, sich aus seiner Notsituation zu befreien?
Eine Antwort muss gefunden werden, denn bettelnde Menschen sind Teil unserer Wirklichkeit.

Durch die Begegnung mit Bettlern kommen wir in Kontakt mit unserer eigenen potentiellen Hilfsbedürftigkeit. Ist nicht jeder Mensch irgendwann einmal auf andere angewiesen, die uns Beachtung schenken, die uns auch in Krankheit und Not wahrnehmen, uns helfen, die ein liebendes Wort für uns haben. Braucht nicht jeder irgendwann einmal ein  Almosen, das uns stärkt und aufrichtet und unsere Würde bewahrt? Und ist das alles nicht ein Geschenk, das wir uns selbst nicht machen können?

Wir können nicht eindeutig entscheiden, ob derjenige, der um eine Gabe bittet, wirklich Hilfe zum Überleben braucht. Aber wir können uns im Herzen anrühren lassen. Almosen geben hat mit Barmherzigkeit zu tun. Ich darf dabei an meine Gabe keine Erwartungen an den Bettler knüpfen, darf ihn nicht umerziehen wollen. Was er mit der Gabe tut, ist seiner Verantwortung überlassen.

Ich könnte versuchen, dem Bettler auf Augenhöhe zu begegnen. Wie wichtig ist ein Wort der Zuwendung, ein befreiendes Wort. Ruft Jesus uns nicht immer wieder zu: Steh auf! Dabei geht es ihm darum, den Menschen ihre Würde zurückzugeben.

Die Begegnung mit Bettlern könnte für uns ein Aufruf sein, zu versuchen, die zementierten Unrechtsstrukturen unserer Gesellschaft zu durchbrechen, den Armen unsere helfende Hand zu reichen. Wir könnten mithelfen, dass die Schwachen, die ihnen innewohnenden Kräfte neu entdecken und aktivieren, um ein selbstbewusstes Leben führen zu können.

Cornelia Napierski