Date:03. Jun 2015

Besonderer Schulbesuch

Zeichen der Zeit

Handkuss für Mama - Foto: R. Falk

 Foto: R. Falk

Mit Handkuss …! Eindrücke von einem ganz besonderen Schulbesuch.

Als Mutter bekommt man schon mal einen Handkuss vom kleinen Sohn. Aber in einer Schule werden wir eher selten so begrüßt.  Und wenn ein lernbehindertes Schulkind das tut, ist es erst recht eine besondere Erfahrung. So spontan wir unser Gegenüber sozial oder intellektuell  beurteilen und einordnen – sei es zu recht oder nicht, so spontan äußern manche Menschen mit einer geistigen Behinderung  ihre Sympathie.

An die Hand nehmen uns die Schüler bereits beim Betreten des Geländes ihrer Oppenheimer Schule. Es ist buchstäblich vom ersten Augenblick an ein unvergesslicher Tag. Herzlichkeit, Offenheit  und eine unglaubliche Ruhe begegnet uns dort.  Das Gebäude ist neu, hell und freundlich. Die Türen öffnen sich für uns und hinter jeder Tür liegt eine ganze Welt: Kinder mit unterschiedlichsten Wesensarten, Temperamenten, Schicksalen, Beeinträchtigungen. Und wie sie uns begrüßen! Mit Gebärdensprache. Mit einem Lächeln. Mit neugierigem Blick. Mit einer stürmischen Umarmung und einem glücklichen „Papa“ – Ausruf. Oder eben mit einem formvollendeten Kuss auf die Hand.

Vertraute Abläufe, fest etablierte Rituale prägen den Schulalltag, von Begrüßung, Arbeitsabläufen, gemeinsamem Frühstück, eigenem Arbeitsrhythmus, Rückmeldung und gegenseitigem Lob, der Einteilung von Diensten bis hin zum  Klassenrat mit parlamentarischer Struktur.  Es funktioniert und funktioniert mit viel Ruhe. Diese Ruhe im ganzen Schulhaus kam nicht über Nacht. Sie ist erarbeitet, eingeübt und durch viele durchdachte Formen und Signale möglich. Ihr liegt eine Menge Erfahrung, aber auch viel psychologisch-pädagogische Kenntnis zugrunde. Und hinter allem wird eine tiefe Wertschätzung spürbar. Kein abwertendes Wort, kein diskriminierender Blick. Wohl aber sehr deutliche Zurechtweisung,  konsequent eingeforderter Respekt, feste Regeln und Höflichkeit.  Das eine widerspricht nicht dem andern. Hier wird wirklich individuell gefördert, hier wird keiner zurückgesetzt. Eine Schule, die den Namen „Förderschule“ wahrlich verdient. Und ein Kollegium, das auf seine gelungene pädagogische Arbeit stolz sein kann.

Anne-Madeleine Plum