Berg der Kreuze

Kirchen-Geschichten

Foto: Elias Beyer

Merkwürdig ist er in jedem Fall, der „Berg“ der Kreuze in Litauen: eine unfassbar große Zahl von Kreuzen, eine unglaubliche Vielfalt an Größe, Gestaltung, Material und Anlässen ihrer Errichtung, von denen die Inschriften erzählen. Dazu kommt eine ebenfalls beachtliche Zahl von Menschen, die auch heute diesen Ort zu einem besonderen machen.

Die Unterschiedlichkeit der materiellen Kreuze bezeugt, dass auch die Menschen ihre je eigenen Kreuze und Kreuzwege haben. Die individuelle Lebensgeschichte macht es offenbar notwendig, dass wir uns nicht unter einem einzigen, großen und einheitlich gestaltetem Kreuz versammeln, um uns in die gemeinsame Nachfolge Jesu zu begeben. Es gibt nicht einen Kreuzweg, sondern zigtausende, die alle gegangen sein wollen.

Dennoch haben die vielen Menschen ihre Kreuze nicht dort gelassen, wo sie herkommen und hingehen, sondern haben einen gemeinsamen Ort gefunden. An diesem Ort wird spürbar, dass unsere unterschiedlichen Wege doch etwas Gemeinsames haben. Jesus schafft es, Menschen zusammenzubringen. Man spürt, dass Nachfolge gemeinsam leichter gehen kann.
Nachdenklich ziehen wir weiter und sind von der Illusion befreit, dass wir unser Leben kreuzfrei hinorganisiert haben. Als wir zurückschauen und durch die Kreuze hindurchblicken, merken wir, dass wir ohne Kreuze uns beinahe um die Verheißung der Auferstehung gebracht hätten.

István Bechtold