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Zeitenstimme: Bedeutung von Religion in der jungen Generation Deutschlands
Beobachtungen, Wertungen der letzten Shell-Studie, wie sie in Christ in der Gegenwart von Chefredakteur Röser in der Ausgabe vom 10. November vorgestellt wurde. Dort lesen wir (CiG, Nr. 45/2019, Seite 503 f.):
“Was die neue Shell-Jugendstudie über den Gottesglauben junger Leute herausgefunden hat, lässt einem den Atem stocken – und müsste die Kirchen, die christlich-abendländische Kultur eigentlich in hellste Aufregung versetzen. Es sind bloß sechs Seiten, doch die haben es in sich. Sie sagen viel mehr aus über die bevorstehende kulturell-geistige Entwicklung der Bundesrepublik als die nahezu 400 Seiten, auf denen die jüngste Shell-Studie ‘die Lage der Nation’ in der Generation zwischen 15 und 25 Jahren vorstellt. Die allgemeine mediale Berichterstattung ist jedoch über das, was diese Zivilisation aus religiöser Perspektive von Grund auf erschüttert, nahezu sprachlos hinweggegangen: Was glauben junge Leute überhaupt noch? In rasantem Tempo offenbar immer weniger. Und das selbst unter Getauften, ja gerade unter ihnen.
Die fragenden Forscher zielten ins Zentrum: Gott. Und die Antworten offenbaren Erschütterndes. Selbst wenn man die Unschärfen von Meinungsbekundungen in Rechnung stellt, sind die Tendenzen eindeutig. Gott wird den jungen Leuten von Studie zu Studie immer unwichtiger. Inzwischen erklärt das jeder zweite Getaufte dieser Altersgruppe. Unter den katholischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind es 41, unter den evangelischen 50 Prozent.
In starkem Kontrast dazu äußerten sich die muslimischen jungen Leute, die in der Altersgruppe bereits einen Anteil von knapp zehn Prozent ausmachen. Ihnen wird Gott im Lauf der Erhebungen immer wichtiger. 73 Prozent von ihnen bestätigen das, bloß 18 Prozent betrachten Allah als unwichtig.
Lange nahm man an, dass die Muslime sich dem Säkularisierungstrend religiöser Entfremdung hierzulande anpassen. Ein Trugschluss. Das Gegenteil ist der Fall. Während der christliche Glaube einst kulturstiftend das Abendland konstituierte, prägt er von Generation zu Generation immer weniger die Geisteshaltung. Hingegen nimmt nicht nur die Zahl der hier lebenden Muslime zu, sondern auch deren Glaubensstärke.”
Wird solches in den Bemühungen des synodalen Weges, der demnächst beginnen soll, eine angemessene Rolle spielen? Oder herrscht immer noch die Überzeugung vor, dass die schlechte Glaubenssituation mit dem Reformstau mancher mehr spezifisch kirchlicher Themen zu tun habe? Dinge, die ohnehin die jungen Leute sehr viel weniger interessieren als die Christen der mittleren und älteren Generation. Und sind all die geforderten Dinge in der evangelischen Kirche nicht alle längst gelöst? Und doch ist diese glaubensmäßig nicht in einem besseren Zustand als die der katholische Kirche.
Werfen die Menschen, im Grunde genommen, unserer Kirche vor, dass sie nicht genügend hilft, wirklich Gott zu finden und zu erleben. Und gilt nicht durchaus im Sinn der Aufforderung Jesu: “Suchet zuerst das Reich Gottes”, also die Stellen, wo Gotteserfahrung geschieht, “und alles andere wird euch dann – umsonst – dazu gegeben?” “Anderes” ist Ansehen der Kirche… und manches mehr. Jesus: “Das Reich Gottes ist mitten unter euch.” Auch dieser Satz könnte uns leiten und uns den Blick schärfen und selbst in unserer glaubens- und religionslosen Jugend Gotteserfahrungen finden. Und wir könnten eine uns dankbare Jugend erleben, wenn wir ihr das zutrauen. Denn wir dürfen davon ausgehen, dass auch sie letztlich nichts lieber von uns erhalten will, als Hilfe in der Gottfindung und Gotteserfahrung. Und uns im Tiefsten – wertgehend unausgesprochen – danach beurteilt. Und immer wieder feststellen muss: Zu leicht befunden? Alles nur Theorie, ausgesprochen intelligente Theorie zwar. Doch wie steht es mit der Berücksichtigung der “emotionalen Intelligenz”? Und das Herz? Denn auch ihr Herz. Und gerade ihr Herz ist unruhig, unruhig, bis es Heimat findet in Gott. (NB. Es geht hier nicht um Ethik, schon gar nicht um ethschen Rogorismus, Selbstverzicht und dergl. mehr, sondern um Erfahrung, um “Mystik”, wenn wir dieses Wort hier benützen wollen. Auch geht es zunächst nicht um Orthodoxie.)
Man bedenke: Insgesamt bringt die Studie ein eher positives Bild der Jugend. Kurz das eine oder andere Ergebnis (FAZ 16.10.2019):
“Umwelt ist wichtiger als Lebensstandard… Klimawandel und Umweltzerstörung sind herrschende Themen unter Jugendlichen und das größte Motiv ihres politischen und gesellschaftlichen Engagements. Die Studie zeigt, dass viele auf Demokratie, eine offene Gesellschaft und ein geeintes Europa setzen. Darin zeige sich ein Vertrauen, das die Politik nicht verspielen dürfe… Die europäische Union genießt bei jungen Deutschen ein gutes Ansehen. Interessant die “häufigsten Freizeitaktivitäten”: Musik hören, sich mit Leuten treffen stehen an erster Stelle. Verhältnis zu den Eltern gut bis sehr gut: 92 %. Also durchaus nicht konsumistisch, versext und oberflächlich, bequem, wie so manche Klischees lauten mögen.
Weiter ist zu bedenken (nach Shell-Studie):
“Die Kirche als Institution kommt bei den jungen Leuten insgesamt erstaunlich gut weg. So beteuern drei Viertel der Katholiken und sogar noch mehr der Evangelischen, dass sie es gut finden, dass es die Kirchen gibt. Sogar unter Konfessionslosen sagt dies jeder zweite. Allerdings wird ‘Kirche'” dabei weniger als Glaubens- und Hoffnungsgemeinschaft wahrgenommen, denn als Sozialagentur, als gesellschaftlicher Mahner. Auch unter den überwiegend glaubensfernen Jugendlichen in Ostdeutschland wird Kirche erstaunlich positiv bewertet,….Einst hieß das Schlagwort junger kritischer Christen: ‘Jesus ja, Kirche nein.’ Das hat sich umgekehrt: ‘Kirche ja, Gott nein.’ (CiG, a.a.O, 503).
Die sich mir immer wieder aufdrängende Frage ist: Die jungen Leute haben – oder haben gehabt – wie in keinem anderen Land der Welt, bis zu 12 Jahren Religionsunterricht (auch in den staatlichen Schulen), von fachlich gut ausgebildeten Religionslehrern, die mit Hingabe, Kreativität und Intelligenz, daran zweifle ich nicht, ihr Fach gestalten und oft ein gutes Ansehen haben bei den Schülern und im Lehrerkollegium. Was geschieht da?
Und die rund vierzig theologischen Fakultäten? Selbst wenn in absehbarer Zeit zehn davon schließen sollten, dann gibt es immer noch dreißig. Dazu eine Reihe theologischer Institute an Universitäten, die keine theologische Fakultät haben, mit bis zu fünf Ordinarien. Diese alle sorgen für das theologische Niveau in Forschung und Lehre – und haben Studierende. Auch da die Frage: Was läuft da ab? Nicht leicht zu beantworten. Doch man sollte dran gehen.
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