Babylonische Türme

Zeichen der Zeit

Elbphilharmonie Hamburg im Bau - Foto: Andreas Ruffing 2011

Elbphilharmonie Hamburg im Bau
Foto: Andreas Ruffing 2011
 
Zwei Nachrichten aus den letzten Wochen: Am 30. April berichteten die Medien, dass das im Bau befindliche neue World Trade Center in New York wieder das höchste Gebäude der Stadt ist. Nach der Fertigstellung wird der Tower dann weit über 500m in den Himmel ragen.  Noch höher und damit zurzeit das zweithöchste Gebäude der Welt ist der Sky Tree, ein gewaltiger, 634m hoher Fernsehturm in Japans Hauptstadt Tokyo. Die Einweihung fand am 24. Mai statt.

Beide Meldungen gingen mir durch den Kopf, als ich in diesen Tagen nach einem dienstlichen Termin in Hamburg vor der Heimfahrt noch etwas Zeit hatte zum Hafen zu fahren. Dort glitzerte im Sonnenlicht des späten Nachmittags die Elbphilharmonie. In den Dimensionen sicherlich nicht vergleichbar mit den Gebäuden in Tokyo und New York, aber gleichwohl ein spektakuläres und – was die Kostenexplosion angeht –  auch äußerst  umstrittenes städtebauliches Projekt.

So kann und muss man über den Sinn und Unsinn solcher Bauten mit Recht öffentlich streiten. Ganz gewiss aber sind sie, wenn sie denn gebaut sind,  markante  Wahrzeichen, Zeit-Zeichen einer Stadt, ja eines ganzen Landes mit hoher Symbolkraft. „Wir lassen uns nicht unterkriegen“, mögen die Amerikaner beim Anblick ist  des neuen World Trade Centers angesichts des 11. September 2001 denken.  Vielleicht geht nach dem verheerenden Tsunami im letzten Jahr auch vielen  Japanern ähnliches durch den Kopf, wenn sie vor dem Sky Tree stehen. Und natürlich enthält auch die Elbphilharmonie eine symbolische Botschaft, zumindest die einer weltoffenen, prosperierenden und kulturbegeisterten Hafenmetropole.

Wie viele andere Menschen auch  stehe ich fasziniert vor solchen Gebäuden, bin beeindruckt von der Größe, genieße  die Ästhetik und habe Hochachtung vor denen, die dies konzipiert haben und bauen. Die biblische Geschichte vom Babylonischen Turm  freilich – deren Kontrastgeschichte wir übrigens an Pfingsten gehört haben – habe ich auch gut im Ohr. Sie erinnert mich daran,  dass ich nicht auf Gotteswerk, sondern auf Menschenwerk schaue, mit all den Grenzen und Begrenzungen, die damit verbunden sind.

Da passt es  dann irgendwie in Bild, dass die Baustelle der Elbphilharmonie zwar schon jetzt in  öffentlichen Führungen besichtigt werden kann, weil sich damit schlicht Geld verdienen lässt, aber nur von einem begrenzten Besucherkreis. Für Personen im Rollstuhl, mit Gehbehinderungen und Kreislauferkrankungen  – so ist auf der Internetseite zu lesen – ist die Führung ungeeignet und  für Kinder unter 14 Jahren gleich ganz verboten.

Andreas Ruffing