Alltagsspiritualität und (religiöse) Alltagspsychologie

Zeichen der Zeit

Bach

 

Angesichts der vielfach engagiert kommentierten Kirchen- und Glaubenskrise in unserem Land soll hier einer Spur Gottes in eben diesem Land nachgegangen werden. Dieser begegnen wir seit Jahren und immer stärker werdend in der Tatsache einer neu entstehenden Spiritualität. Neue Worte haben sich in den Vordergrund des Bewusstseins und Lebensgefühls unserer westlichen, auch und gerade der deutschen, Gesellschaft geschoben. Ich nenne die Worte Spiritualität, Mystik, religiös, religiöse Erfahrung, vernetzt, emotionale Intelligenz, auch spirituelle Intelligenz, ebenso “Seele” und “seelisch”.

Wir begegnen dieser neuen Spiritualität in vielen der Spruchkarten, die in religiösen (und anderen) Bildungszentren angeboten werden. Da lesen wir: Die Welt ist voll von kleinen Freuden. Oder: Es ist so schön, dass es dich gibt. Dann in den neuen (und inzwischen reichlich alten) geistlichen Liedern. Fast täglich entstehen neue. Vor allem zu nennen ist die uferlos scheinende Welt der Bücher der neuen Spiritualität in kirchlichen oder auch nicht-kirchlichen Verlagen. Ich nenne im Folgenden einige Buchtitel, die zugleich wichtige Leitworte der neuen Spiritualität darstellen.

Du Gott des Weges segne uns. Mensch – du bist göttlich. Unter der Führung Gottes. Von guten Mächten wunderbar geborgen. Gotteswahrnehmung. Kein Weg im Leben ist vergebens. Begegnungen auf dem Weg zu Gott. Krisen sind Wendezeiten im Leben. Dankbar lebt sich’s leichter – Schritte zur inneren Zufriedenheit. Mystik im Alltag. Das Lebenswissen der Religionen und die Frage nach dem Sinn des Lebens.

Die Sprache der Seele verstehen. Achtsamkeit des Herzens. Vom richtigen Umgang mit Gefühlen und Konflikten. Entwickle deine Intuition. Die Kraft der Spiritualität. Das Feuer im Herzen entfachen. Der Himmel ist in Dir. Entdecke das Heilige in Dir. Himmlisches im Alltag finden. Schöpfungsspiritualität. Der Leib als Instrument der Seele in Gesundheit und Krankheit. Gesundheit als geistliche Aufgabe. Mit den Sinnen glauben.

Eucharistie und Selbstwerdung. Was ist inneres Beten? Wortgebet und Schweigegebet. Kontemplation. Gott begegnen – heute. Exerzitien für den Alltag. Segen-Quelle heilender Kraft. Geborgenheit finden. Rituale feiern. Wege zu mehr Lebensfreude. Auf der Suche nach Geborgenheit. Wege zur Freiheit. Ausbruch zur inneren Freiheit. Mut, eigene Wege zu gehen.

Die hier genannten Themen spielen, soweit ich sehe, eine viel zu geringe Rolle in Pastoralplänen, der Arbeit der Seelsorgeämter und der universitären Theologie. Ja, sie werden vielfach eher beargwöhnt als beherzt gefördert. Sehr häufig höre ich von engagierten Christen, dass von der Kirche, das heißt von den Hauptamtlichen der Kirche zu wenig bis gar keine Spiritualität ausgeht. Zu sehr und zu einseitig steht Strukturelles, Theologisches, Exegetisches, Ethisches und Soziales im Mittelpunkt. Ich denke, dass der Dialog-Prozess unserer Kirche dieses Thema aufgreifen müsste, wenn er nicht bei den Defiziten stehen bleiben, sondern an den Ressourcen ansetzen will.

 

Herbert King

 

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